Wir können Gesundheit

Tobias Esch ist neuer Professor für Integrierte Gesundheitsversorgung und -förderung

Der Experte für "Mind Body Medizin" forscht unter anderem zum Thema "Glück"

Universität Witten/Herdecke am 29. März 2016

esch_tobiasTobias Esch kehrt als neuer Professor für Integrierte Gesundheitsversorgung und –förderung an die Universität Witten/Herdecke (UW/H) zurück. Nach einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter Ende der 90er Jahre in Witten führte ihn sein Weg über die Stationen Essen, Münster, Charité Berlin, Coburg und Harvard Medical School nun wieder an die UW/H zurück. Beschäftigen wird er sich mit Fragen wie: Wie entsteht Gesundheit? Wie kann der Patient aktiv zu seiner Genesung beitragen? Wie verändert sich die Beziehung zwischen Arzt und Patienten, wenn diese vollen Zugriff auf ihre medizinischen Daten haben? Kann man Glück lernen und lehren? Wieso gehen verschiedene Menschen mit gleichartigen Diagnosen und Krankheitsbildern völlig unterschiedlich um?

„Bevor ich Medizin studiert habe, habe ich zwei Jahre auf einer Krebsstation gearbeitet“, erläutert Prof. Esch die Motivation zu seiner Forschung. „Dabei habe ich zwei Dinge gelernt. Nämlich, dass die Medizin sich um alles Mögliche kümmert, aber nicht immer um das, was die Menschen eigentlich wollen. Das zweite ist, dass zwei Menschen häufig völlig unterschiedlich mit der gleichen Diagnose umgehen. Während Herr Müller mit einer gewissen Leichtigkeit und einem Kämpferherz sein schweres Schicksal meistert, leidet Herr Schmidt auf eine Weise, die für ihn selbst und alle anderen Beteiligten unerträglich ist. Mich hat interessiert: Woher kommen diese Unterschiede? Und könnte nicht diese Frage für die Medizin, die oftmals in ihren Mitteln bei der Heilung recht beschränkt ist, wirklich wichtig sein? Außerdem wollte ich wissen, ob wir von diesen optimistisch eingestellten Menschen etwas lernen und das dann auch anderen beibringen können.“

Diese Frage hat Esch für sich mittlerweile mit einem klaren „Ja“ beantwortet. Seine Erkenntnisse hat er in dem Buch „Die Neurobiologie des Glücks“, das im Jahr 2013 auf Platz eins der Medizin-Bestsellerliste in Deutschland stand, weitergegeben, seine Bücher zur Stressbewältigung sind mittlerweile die Standardwerke der deutschen Krankenkassen zum Thema.

In seiner neuen Aufgabe möchte er unter anderem dazu beitragen, die Gesundheit der Patienten in den Mittelpunkt der medizinischen Versorgung zu rücken. Prof. Esch: „Die Ärzte kümmern sich bisher meist um das Kranke, nicht um das Gesunde. Es ist aber etwas anderes, ob ich die Krankheit oder die Gesundheit in den Mittelpunkt stelle.“ Für die Medizin der Zukunft sei es entscheidend, den Patienten mit all seinen Problemen und Potenzialen ganzheitlich – und nicht nur ein einzelnes Krankheitsbild – zu betrachten. „Für diesen integrativen Ansatz müssen die verschiedensten Berufsgruppen zusammenarbeiten, interdisziplinär, multiprofessionell, teambasiert und über fachliche, technologische oder ambulant-stationäre Grenzen hinweg. Alle vorhandenen Ressourcen müssen zum Wohle des Patienten integriert werden. Auch die Ressourcen des Patienten selbst. Das gilt generell für eine ganzheitliche oder integrierte Gesundheitsversorgung. Dabei sind neben den beschriebenen Gesundheitsaspekten auch die Koordination der Abläufe und insbesondere die Anforderungen bei der Betreuung chronisch Kranker, älterer Menschen oder weiterer Patientengruppen mit komplexen Bedürfnissen von entscheidender Bedeutung. Darauf wird mein besonderer Augenmerk liegen.“

Wie die Ressourcen der Patienten selbst aktiviert werden können, um die Heilung zu unterstützen oder erst möglich zu machen, ist seit vielen Jahren Gegenstand seiner Forschung. „Leider ist es so, dass 50 Prozent der Lebenszufriedenheit von den Genen bestimmt werden. Das ist angeboren und kann von niemandem beeinflusst werden. Zehn Prozent bestimmen die individuellen Umstände. Die gute Nachricht ist aber: Die anderen 40 Prozent lassen sich trainieren. Jeder hat also die Chance, trotz einer möglichen genetischen Benachteiligung auf diesem Weg einen Beitrag zu seiner Lebenszufriedenheit zu leisten.“ Diesen Umstand nutzt auch die „Mind Body Medizin“. Neben Selbstregulation, Aktivierung von Selbstheilungspotenzialen, Resilienz, positiver Psychologie, Erkenntnissen aus der Hirnforschung zu Motivation und Verhaltensänderung, Meditation und Achtsamkeit kommen hier auch Glücksforschung und Glückstraining ins Spiel.

Mit dem Begriff „Glücksforscher“ tut sich Prof. Esch jedoch ein wenig schwer. „Das ist ein bisschen irreführend. Ich laufe ja nicht als eine Art Motivationscoach durchs Land, streue den Leuten Sand in die Augen und fordere sie auf, die Welt durch eine rosarote Brille zu betrachten. Es gibt viel Leid auf der Welt und im Leben jedes Menschen. Ich sage nur, dass wir trotz alledem das Potenzial zum Glücklichsein in uns haben. Das ist nichts Eingebildetes, sondern sehr real. Aber auch das Unglück gehört zum Leben. Glück ist da eher ein Ziel und nichts Absolutes. Es geht letztlich darum, ein höchstmögliches Maß an Zufriedenheit zu erreichen, ohne Leid, Krankheit und Unglück dabei auszublenden.“

Gesundheitsforschung

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