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Krebsmedikament bei der Arbeit beobachtet

Wirkweise einer Arznei ganz ohne Marker ergründen

PRODI – Zentrum für Proteindiagnostik am 19. April 2018


An den von ihnen entwickelten Verfahren hat die Pharmaindustrie bereits Interesse gezeigt: Samir El-Mashtoly (links) und Klaus Gerwert
© RUB, Kramer

Welche Wirkorte das Krebsmedikament Neratinib in Zellen erreicht und wie es sich dort chemisch verändert, haben Forscher der Ruhr-Universität Bochum (RUB) mit der Raman-Mikroskopie untersucht. Ein Vorteil der Methode im Vergleich zu anderen Verfahren ist, dass das Medikament dafür nicht mit einem Marker versehen werden muss, der die Verteilung der Substanz nur indirekt anzeigt; stattdessen kann das Medikament selbst beobachtet werden.

Über die Arbeiten berichtet das Team um Prof. Dr. Klaus Gerwert und Dr. Samir El-Mashtoly vom RUB-Lehrstuhl Biophysik in der Zeitschrift Angewandte Chemie.

Pharmakokinetik ist entscheidend

Neratinib, erhältlich unter dem Handelsnamen Nerlynx, ist seit 2017 für die Behandlung von Brustkrebs zugelassen und wird derzeit in klinischen Studien auch für die Lungenkrebstherapie getestet. Es bindet an bestimmte Proteine in der Zelle und hemmt so das Zellwachstum. „Um genau zu verstehen, wie ein Medikament wirkt, muss man seine Pharmakokinetik kennen, also wie der Körper die Substanz aufnimmt, verteilt und verstoffwechselt – und wie sie sich dabei chemisch verändert“, sagt Gerwert.

Wie der Stoffwechsel das Medikament verändert

Samir El-Mashtoly und Klaus Gerwert entwickelten in den vergangenen Jahren neue Raman-spektroskopische Methoden, um die Wirksamkeit und Verteilung von Medikamenten in Krebszellen zu beobachten. In der aktuellen Studie verfolgten die Wissenschaftler, wie Neratinib in die Zellen aufgenommen wird und sich in den Zellorganellen anreichert. In der Zelle änderte sich dabei die Struktur der Wirkstoffmoleküle. „Interessanterweise nimmt ein Großteil der Moleküle eine Struktur an, die pharmakologisch nicht mehr wirksam ist“, beschreibt El-Mashtoly.

„Dieses Ergebnis kann helfen, Medikamente weiterzuentwickeln und die Krebstherapie zu verbessern“, ergänzt der Bochumer Forscher. „Die Studie zeigt das große Potenzial der Raman-Mikroskopie, um die Wirkmechanismen von Medikamenten zu ergründen. Die Pharmaindustrie hat bereits großes Interesse.“

Markerfreie Methode

Um zu untersuchen, wie sich ein Medikament in Zellen verteilt, werden die Moleküle üblicherweise mit fluoreszierenden Substanzen markiert. „Die Marker sind oft viel größer als das zu untersuchende Molekül und beeinflussen damit stark dessen Verhalten“, erklärt Klaus Gerwert. „Nur das markerfreie Verfahren erlaubt, den Wirkstoff direkt zu beobachten.“

Die Raman-Mikroskopie ist eine markerfreie Methode mit einer räumlichen Auflösung von rund 400 Nanometern. Das ermöglicht nicht nur, einzelne Krebszellen auseinanderzuhalten, sondern auch Zellorganellen sichtbar zu machen. Im Gegensatz zu konventionellen Methoden kann die Raman-Mikroskopie auch die chemischen Veränderungen der Medikamente detektieren, die entscheidend für die Wirksamkeit sind.

Ein Pharmaunternehmen ist bereits auf die Bochumer Arbeiten aufmerksam geworden und nutzt die Methode, um neue potenzielle Krebsmedikamente zu testen.

Förderung

Das Land Nordrhein-Westfalen förderte die Arbeiten im Rahmen des europäischen Proteinforschungsnetzwerks „Pure“.

Originalveröffentlichung

Karim Aljakouch, Tatjana Lechtonen, Hesham K. Yosef, Mohamad K. Hammoud, Wissam Alsaidi, Carsten Kötting, Carolin Mügge, Robert Kourist, Samir F. El-Mashtoly, Klaus Gerwert: Raman Micro-Spectroscopic Evidence for the Metabolism of a Tyrosine Kinase Inhibitor, Neratinib, in Cancer Cells, in: Angewandte Chemie, 2018, DOI: 10.1002/anie.201803394 (englische Version), 10.1002/ange.201803394 (deutsche Version)

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