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Wie Borderline-Mütter sich für ihre Kinder stark machen

LWL-Universitätsklinikum Bochum am 20. September 2018

Steffi Pott, Psychologische Psychotherapeutin in der Borderline-Ambulanz der LWL-Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Präventivmedizin, leitet die neue Borderline-Mütter-Gruppe und sieht in dem Angebot wertvolles Potenzial für die Mutter-Kind-Bindung (im Bild mit Prof. Martin Brüne, Oberarzt Track Persönlichkeitsstörungen und ADHS). (Bildquelle: LWL)

Etwa zwei Prozent der deutschen Bevölkerung sind von einer Borderline-Persönlichkeitsstörung betroffen. Unter den ambulanten psychiatrischen Patienten sind zehn Prozent Borderline-erkrankte Frauen und Männer anzutreffen und unter den vollstationären bis zu 20 Prozent. Allgemein ist der Frauenanteil allerdings höher. Die Betroffenen sind emotional instabil und leiden unter ihrer gestörten Beziehungsgestaltung. Da sie in ihrer Kindheit oder Jugend oft Traumatisches im persönlichen und familiären Umfeld erlebt haben, fällt es ihnen schwer, ausgewogene und vertrauensvolle Beziehungen zu führen. Wenn Frauen dann noch selbst Mutter geworden sind und den eigenen Kindern gegenüber ihrer Rolle gerecht werden wollen, dann stoßen sie an ihre Grenzen. Borderline-erkrankten Frauen einen Raum zu geben, über ihre Sorgen und Nöte offen zu reden, Wege zu finden, ihren Kindern trotz der Erkrankung Nähe zu geben und eine kraftvolle Beziehung aufzubauen, ist Aufgabe des neuen Angebotes der LWL-Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Präventivmedizin im Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), welches gestern (19.9.) gestartet ist: die Borderline-Mütter-Gruppe.

„Als Borderline-erkrankte Frau Mutter zu sein und mit seinem Kind eine Bindung einzugehen, erfordert sehr große Anstrengungen“, so Prof. Martin Brüne, Oberarzt Track Persönlichkeitsstörungen und ADHS. „Sie stehen selbst unter einem sehr großen Leidensdruck und wollen dann gleichzeitig gut für ihre Kinder sorgen und liebevolle Mütter sein. Damit ihnen dies trotz Erkrankung gelingt, haben wir ein entsprechendes Gruppenangebot eingeführt.“
Eine Borderline-Störung ist schwierig zu behandeln. Die Einschätzung gar, dass Patienten therapieresistent seien, ist in der Öffentlichkeit und zum Teil auch in der Fachwelt nach wie vor sehr weit verbreitet. Die LWL-Universitätsklinik Bochum hat sich auf die Behandlung von Borderline-erkrankten Menschen spezialisiert und forscht schon seit vielen Jahren rund um diese Erkrankung.

Die Störung entsteht durch das Zusammenwirken verschiedener vererbter und erworbener Faktoren wie „impulsives Temperament“ und persönliche Grenzverletzungen in der Kindheit oder Jugend (z.B. sexueller Missbrauch, körperliche Gewalt oder emotionale Vernachlässigung). Betroffene leben mit einem unsicheren und wechselnden Selbstbild und geringem Selbstwertgefühl. Sie leiden unter Stressempfindlichkeit, innerer Anspannung und heftigen Gefühlsschwankungen und neigen zu Selbstverletzungen. „Beziehungen zu gestalten fällt ihnen schwer und sind oftmals mit großen Turbulenzen verbunden“, beschreibt Steffi Pott, Psychologische Psychotherapeutin in der Borderline-Ambulanz und verantwortlich für das neue Gruppenangebot, die Auswirkungen. „Nicht nur die Betroffenen leiden darunter, sondern auch ihre Beziehungen bzw. ihr soziales Umfeld.“

Die neue Gruppe startet mit fünf Frauen, die derzeit ambulant in der Klinik behandelt werden, und ist damit bereits voll besetzt. Steffi Pott: „Wir führen dieses Angebot ganz bewusst im kleinen Umfang ein, um die Teilnehmerinnen nicht zu überfordern und ihnen trotzdem die Gelegenheit zu geben, intensiv an ihren Problemen zu arbeiten.“ Die Gruppe arbeitet mit einem Gruppentrainingsprogramm für Mütter mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, deren Kinder im Vor- und Grundschulalter sind. Das Programm sieht zwölf Sitzungen mit Themenschwerpunkten wie Borderline und Mutterschaft, Achtsamkeit, kindliche Grundbedürfnisse, Stress und Stressbewältigung, Umgang mit Konflikten oder Gefühlen. Steffi Pott hatte das von den Psychologinnen Sigrid Buck-Horstkotte, Babette Renneberg und Charlotte Rosenbach konzipierte Programm mit dem Trainingsmanual „Borderline und Mutter sein“ in der Fortbildung sehr überzeugt. „Dieses Programm gibt uns Therapeuten ein gutes Werkzeug an die Hand und den Betroffenen eine sehr gute Orientierung, mit ihren Kindern ein erfülltes Leben zu führen.“

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