Wir können Gesundheit

7. EVR Forum

Lösungen gegen den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen

Contec Gesellschaft für Organisationsentwicklung mbh am 22. Februar 2019

Podium

Teilnehmende des 7. EVR-Forums diskutieren den Sinn und Nutzen von Pflegepersonaluntergrenzen im Krankenhaus, deren Chancen und Risiken sowie konkrete Lösungsansätze, um mehr Fachpersonal zur Erfüllung der Untergrenzen zu rekrutieren.

Das Thema der Pflegepersonaluntergrenzen im Krankenhaus und der damit einhergehende Druck, mehr Personal zu rekrutieren, standen im Mittelpunkt der Diskussionen beim 7. EVR-Forum „Personalmangel 4.0. – Fachkräftemangel zwischen Migration, Digitalisierung und Generationenkonflikten“ an der Hochschule für Gesundheit Bochum. Zu Gast waren hochkarätige Referenten und Referentinnen wie der NRW-Landesminister für Gesundheit, Soziales und Arbeit, Karl-Josef Laumann, Dr. Wulf-Dietrich Leber, Leiter der Abteilung Krankenhäuser beim GKV-Spitzenverband, Peer Köpf, stv. Geschäftsführer des Dezernates für Personalwesen und Krankenhausorganisation der Deutschen Krankenhausgesellschaft u.v.m. Einigkeit bestand darin, dass Untergrenzen – so sie richtig ermittelt und umgesetzt werden – ein wichtiger Schritt hin zu mehr Patientensicherheit sowie zur Entlastung der Pflegenden im Krankenhaus sind. Der Appell von allen Seiten: Krankenhäuser müssen mehr ausbilden und an ihrer Attraktivität als Arbeitgeber arbeiten.

„Wir kommen an eine Wachstumsgrenze“ – Laumann plädiert für mehr Ausbildung

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann machte in seinem Eröffnungsvortrag deutlich, dass es im gesamten Gesundheitswesen an qualifiziertem Fachpersonal fehle. Dem Mangel an Ärzten könne man entgegenwirken, denn es gebe ein hohes Interesse an dem Beruf des Arztes, auch wenn gerade für die jüngeren Generationen und den heutigen Vorstellungen von Work-Life-Balance die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter verbessert werden müsse. Im Übrigen werde das Land NRW etwa mit der neuen Medizinischen Fakultät OWL oder der Verdopplung der Medizinstudienplätze an der Universität Witten/Herdecke die Zahl der Studienplätze für Medizin deutlich aufstocken. Was die Ausbildung von Pflegefachpersonal betreffe, so habe die Altenpflege in den letzten zehn Jahren ihre Kapazitäten verdoppelt. „Die Krankenhäuser aber müssen ihre Hausaufgaben machen und mehr ausbilden“, so Laumann. „Es kann nicht angehen, dass die Krankenhäuser mit dem Argument der besseren Bezahlung nun der Altenpflege die Fachkräfte abkaufen, insbesondere vor dem Hintergrund der generalistischen Ausbildung.“ Darüber hinaus sieht Laumann in der Anwerbung internationaler Fachkräfte zwar durchaus eine Chance. Dafür müssten auch bürokratische Hürden ab- und eine besser strukturierte Willkommenskultur aufgebaut werden. Aber: „Fachkräfte gezielt aus demografisch schwächeren Ländern abzuwerben, ist moralisch höchst fragwürdig“, so der Landesgesundheitsminister.

„Die Länder haben versagt“ – GKV beklagt sinkende Investitionskosten und politische Fehlentscheidungen

Dr. Wulf-Dietrich Leber vom GKV-Spitzenverband zeigte auf, dass die Investitionen der Länder in ihre Krankenhäuser seit 1991 kontinuierlich gesunken seien. „Wenn die Investitionen aus den DRGs mitfinanziert werden müssen, dann entspricht das einem Gegenwert von 44.000 Pflegestellen.“ Das bisherige Scheitern bei der Ermittlung angemessener Pflegepersonaluntergrenzen durch die Selbstverwaltung liegt laut GKV in der Komplexität des Unterfangens. „Einen Wert herauszubekommen ist nicht einfach. Allein der Status des Patienten kann Einfluss darauf haben, wie viel Pflegepersonal benötigt wird. Ist er frisch operiert? Dement?“ Außerdem fehle laut Leber eine angemessene empirische Datengrundlage der Krankenhäuser in Deutschland und das Digitalisierungsdefizit im Gesundheitswesen erschwere das Unterfangen weiterhin. Das Herausbrechen der Pflegekosten aus den DRGs bezeichnete Leber als groben Fehler der Politik. Ein Rückfall in die Selbstkostendeckung sei wie ein Fass ohne Boden.

„Pflege braucht keine Almosen“ – Diskussion um Bettenschließung

In der Diskussion wurde deutlich, dass Krankenhausbetreiber sich vor den möglichen Sanktionen bei nicht Erfüllen der Pflegepersonaluntergrenzen fürchten. „Kann es nicht sein, dass die Pflege hier zum Buhmann gemacht wird, weil alle wollen, dass die Krankenhäuser weniger machen?“, fragte Markus Böddecker, stv. Pflegedirektor und Koordinator für Funktionsbereiche beim Klinikum der Stadt Soest. Dies wurde von Seiten des GKV und der DKG dementiert. „Die dritte wichtige Säule im System neben den DRG und den Qualitätsindikatoren ist die Pflege und die bekommt jetzt die nötige Aufmerksamkeit“, argumentierte Dr. Leber. Peer Köpf von der Deutschen Krankenhausgesellschaft plädierte aber für einen Abbau der Bürokratie. „Damit die Untergrenzen ihr Potential entfalten können, müssen wir eine bürokratieärmere Lösung finden als im Moment gegeben.“ Markus Böddecker appellierte weiterhin an seine Kollegen und Kolleginnen aus der Krankenhauspflege: „Es wird allerhöchste Zeit, dass die Pflege eine ähnlich starke Lobby bekommt wie die Medizin. Es ist an uns, attraktiv zu sein und unseren Stellenwert anhand validierter Zahlen der Medizin gegenüber zu behaupten. Eine Bundespflegekammer wäre ein wünschenswerter Schritt.“

Lösungen gegen den Fachkräftemangel: Robotik, Migration, generationengerechte Führung und Employer Branding

In vier praxisnahen und interaktiven Workshops konnten die Teilnehmenden ihr Wissen über aktuelle Trends und Instrumente der Fachkräftegewinnung vertiefen. Prof. Dr. Josef Hilbert, Geschäftsführender Direktor des Instituts Arbeit und Technik (IAT) der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen Bocholt macht sich keine Sorgen um den Wegfall von Arbeitsplätzen durch die Robotik. „Diese Frage ist von vorgestern. Viele Pflegefachkräfte sind schon heute der Meinung, dass die Unterstützung durch Roboter den Beruf eher attraktiver macht.“ Wenn es um die jüngeren Generationen Y und Z geht, die sich ihren Weg in den Arbeitsmarkt suchen, stehen Aspekte wie Wertschätzung und Work-Life-Balance im Vordergrund. Dies sieht sich durch ein großes Employer Branding Projekt der St. Augustinus Gruppe bestätigt. Hier wurde viel Geld in eine eigene (Personal-)Marketing Abteilung und in diverse Kampagnen gesteckt, um Werte und Attraktivität nicht nur zu leben, sondern auch zu kommunizieren. „Seit Beginn der Kampagne konnten wir insgesamt ca. 4000 Bewerbungen verzeichnen“, so Nina Momm, Bereichs-Personalleiterin der St. Augustinus-Kliniken gGmbH.

Noch viel zu tun: Dem Fachkräftemangel proaktiv begegnen

Ob mit oder ohne Pflegepersonaluntergrenzen – mit der generalistischen Ausbildung, dem demografischen Wandel und dem Streben nach Qualitätssicherung müssen Krankenhausbetreiber ebenso wie die Altenpflege bewusste Schritte gehen, um den Pflegenachwuchs zu stärken, Ausgeschiedene zurückzuholen und aktive Mitarbeitende an sich zu binden. Das 7. EVR-Forum hat für die Teilnehmenden eine Plattform geschaffen, um sich mit konkreten Instrumenten zu befassen sowie in der Diskussion über die Befürchtungen auszutauschen. Heinz-Werner Bitter, Vorstand des Evangelischen Verbunds Ruhr, ist sich am Ende der Veranstaltung sicher: „Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Es gibt kein aktuelleres Thema als den Personalmangel im Gesundheits- und Sozialwesen.“

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