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Community Health Nursing

Eine Tagung diskutierte die Chancen einer akademischen Ausbildung als Karriereweg für Pflegende

Universität Witten/Herdecke am 26. September 2022

Mehr als 140 Expert:innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz trafen sich Mitte September zu einer Tagung der Universität Witten/Herdecke, um ein junges Berufsfeld zu diskutieren: Community Health Nursing, oder kurz CHN. Dabei geht es um eine akademische Qualifikation von ausgebildeten Pflegefachkräften. „Auf dem Land und in vielen Stadteilen haben wir in Deutschland große Lücken in der Gesundheitsversorgung. Das ist eine Möglichkeit für auf Masterniveau ausgebildete Pflegefachpersonen, hier mit pflegerischen, aber auch vorbeugenden und gesundheitsfördernden Angeboten diese Lücke zu schließen!“, betonte Prof. Dr. Oliver Herber, Inhaber des Lehrstuhls für Community Health Nursing an der Universität Witten/Herdecke in seiner Einführung. So sollen Community Health Nurses eine wichtige Rolle bei den für Deutschland vorgesehenen Gesundheitskiosken spielen. Darüber hinaus sieht der aktuelle Koalitionsvertrag die Etablierung des für Deutschland neuen Berufsbildes CHN vor. Diese ist mit einer Vielzahl gesellschaftlicher Veränderungen, rechtlicher Rahmenbedingungen und berufspolitischer Fragestellungen verbunden.

Viele Länder zeigen bereits, wie es gehen kann

vlnr.: Myriam Valk-Draad, Elena Zarges, Julia Söhngen, Jürgen Drebes, Oliver Herber, Margareta Halek, Kordula Schulz-Asche, Foto: UWH | Malte Langer

Prof. Dr. Thomas Fischer, der Leiter des Masterstudiengangs Pflege mit dem Schwerpunkt CHN/ANP an der Ev. Hochschule Dresden, zeigt, was die deutsche Debatte um CHN von Beispielen aus verschiedenen Ländern lernen kann.  So besteht in Schweden die Möglichkeit, dass im Rahmen einer Pflegesprechstunde Pflegespezialist:innen Ersteinschätzungen vornehmen und Patient:innen beraten. In Großbritannien arbeiten sogenannte Public Health Nurses zusammen mit Nachbarschaftsorganisationen Programme zur Gesundheitsförderung aus.

Kordula Schulz-Asche, M.A., ist Krankenpflegerin und gleichzeitig Mitglied des Deutschen Bundestages und sprach die gesundheitspolitische Perspektive an: Durch den demographischen Wandel und den Fachkräftemangel kommt es insbesondere bei älteren Menschen, in sozial benachteiligten Stadtteilen und im ländlichen Raum zu Versorgungslücken. Sie hob die schwierige rechtliche Lage hervor, betonte jedoch, dass es von herausgestellter Notwendigkeit sei, dass selbstbestimmte Tätigkeitsfelder für Pflegefachpersonen erweitert werden. In der Diskussion um das Rollenverständnis der CHN bedürfe es auch der Stimme der organisierten Pflege, z.B. in Form von Pflegekammern, die sich aktiv einbringen können. Dies könnte das Berufsbild stärken und eine gute Diskussion über die Bedeutung von Pflege in der Gesellschaft ermöglichen.

Ein Beispiel aus Essen: Der Gesundheitskiosk

Einen Einblick in ein mögliches zukünftiges Arbeitsfeld einer CHN bot Julia Grabemann, B.A., die als Community Health Nurse beim Gesundheitskiosk „Gesundheit für Essen gGmbH“ tätig ist. Der Stadtteil Essen-Nord zeichne sich durch einen großen Anteil krankheitsanfälliger und chronisch kranker Bevölkerungsgruppen aus und verfüge außerdem beispielsweise über eine geringe Facharztdichte. Sie beschrieb, wie seit April 2021 lokale Partner in einen Austausch getreten sind, um den Gesundheitskiosk zu etablieren, der schlussendlich im April 2022 seine Arbeit aufgenommen hat. Der Kiosk bietet beispielsweise Gesundheitsberatung in verschiedenen Sprachen an, übernimmt eine Lotsenfunktion für verschiedene Versorgungsangebote, klärt über Angebote auf und unterstützt bei der Organisation von Versorgungsleistungen.

Die Aktualität des Themas spiegelte sich auch in der eingehenden Diskussion wider. Darin ging es beispielsweise um eine stärkere Vernetzung zwischen Ärzt:innen, ambulanter Pflege, Krankenhäusern und Reha-Kliniken. Das Berufsbild einer CHN könnte hier dazu beitragen, dass Bedarfe chronisch kranker Menschen stärker berücksichtigt werden und benachteiligte Gruppen Zugang zu Versorgungsleistungen erhalten. Darüber hinaus wurde deutlich, dass in der aktuellen Situation ein anspruchsvoller Spagat gemacht werden muss: einerseits gilt es fehlendes Personal zu ersetzen, um aktuelle Bedarfe abdecken zu können, andererseits müssen aber auch Neuerungen ausprobiert und Veränderungen umgesetzt werden. “Ich habe die lebhafte und ehrliche Debatte der 140 Tagungsteilnehmer:innen sehr geschätzt. CHN hat enorme Potenziale für die Pflege und uns erwarten in den kommenden Jahren viele neue Entwicklungen in diesem Feld. Jetzt brauchen wir erste Wegbereiter:innen, die das Berufsbild mit Leben füllen”, fasste Prof. Dr. Margareta Halek, die Leiterin des Departments für Pflegewissenschaft und Co-Dekanin der Fakultät für Gesundheit der Universität Witten/Herdecke, ihre Eindrücke zusammen.

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