Hyperbare Sauerstofftherapie
Mit dem Diabetischen Fußsyndrom in der Druckkammer abtauchen
Alltag in der Druckkammer des Bergmannsheil Buer: Nach einem Hausbrand werden die Bewohner – manchmal auch die Retter der Feuerwehr – mit einer schweren Kohlenmonoxid-Vergiftung in der Druckkammer behandelt. Dann atmen sie über eine Atemmaske medizinischen, also hochkonzentrierten Sauerstoff ein, der die Ableitung des Kohlenmonoxids aus dem Blut bewirkt. „Auch bei Luft- und Gasembolie etwa nach einem Tauchunfall oder bei einer Gasbrandinfektion kommt die Hyperbare Sauerstofftherapie zum Einsatz. Das alles sind Notfälle, die wir in den vergangenen fünf Jahren an jedem Tag des Jahres rund um die Uhr in unseren beiden Druckkammern behandeln“, so Dr. Stephan Brauckmann, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, der auch das Zentrum der Hyperbaren Sauerstofftherapie leitet.
Die Hyperbare Sauerstofftherapie, kurz als HBO bezeichnet, ist eine weltweit in vielen medizinischen Fachdisziplinen angewandte Therapie und ein anerkanntes Behandlungsverfahren, das nicht nur im Notfall Menschenleben rettet, „sondern bei einer Vielzahl von Erkrankungen wie Knochen- oder Weichteilinfektionen eine aussichtsreiche Therapieoption ist. Das gilt insbesondere für schlecht heilende, chronische Wunden wie dem Diabetischen Fußsyndrom“, sagt Christian Möllenbeck. Der leitende Druckkammerarzt des Zentrums hat bereits viele Diabetes-Patienten mit medizinischem Sauerstoff ambulant behandelt. „Das sind viele Leidensgeschichten, die hier ein Ende gefunden haben. So manche Amputation wurde verhindert.“ Der hohe Blutzucker schädigt die Gefäße und die Fußnerven. Schon ein kleiner Defekt an einem Zeh kann dann fatale Folgen haben. Der Druckkammerarzt erklärt: „Das Gewebe ist beim Diabetiker oft schlecht durchblutet und unterversorgt. Bei den täglichen Tauchfahrten atmet der Patient zweieinhalb Stunden durch die Maske 100 Prozent Sauerstoff ein. Zusammen mit dem Überdruck nimmt der Körper so zwölfmal mehr Sauerstoff auf, als unter Normalbedingungen. Durch diese hohe Menge an medizinischem Sauerstoff wird vorher unzureichend versorgtes Gewebe nun optimal mit Sauerstoff versorgt. Das aktiviert den Zellstoffwechsel und fördert die Wundheilung.“ Die ambulante Behandlung des Diabetischen Fußsyndroms ist eine Kassenleistung. Der behandelnde Facharzt (Diabetologe) muss dafür eine Indikation ausstellen.
Während der Körper Sauerstoff anreichert, entspannen Patientin oder Patient bei Musik oder sie schauen auf den in der Druckkammer installierten Monitoren Videos. Zur ersten Behandlung bleibt speziell geschultes und erfahrenes Fachpersonal in der Druckkammer. „Die Tauchfahrten werden für die Patienten schnell zur Routine und gut vertragen“, sagt Möllenbeck. Eine videogestützte Kommunikationsanlage ermöglicht den ständigen Sicht- und Sprechkontakt. „Unsere Druckkammern sind mit hochmodernen medizintechnischen Überwachungssystemen ausgestattet: EKG, Pulsfrequenz, Atmung, Blutdruck und der Sauerstoffgehalt im Gewebe werden gemessen.“
Hintergrund:
Die Druckkammer besteht seit 2019 an der Bergmannsheil und Kinderklinik Buer GmbH. Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen kam damals zur feierlichen Eröffnung. Maximal 24 HBO-Patienten können gleichzeitig behandelt werden. Eine Kammer ist für intensiv- und beatmungspflichtige Patienten vorgesehen. Im Ruhrgebiet ist Gelsenkirchen die einzige Stadt mit einem Druckkammerzentrum. In NRW wird die HBO-Therapie auch in Aachen, Münster und Düsseldorf angeboten.