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Von Auschwitz lernen und lehren

Medizin- und Psychologiestudierende der Uni Witten/Herdecke präsentieren am 1. November im Unikat Arbeiten zur NS-Medizinethik

Universität Witten/Herdecke am 22. Oktober 2019

Euthanasie, Rassifizierung, Menschenexperimente: Im Nationalsozialismus stellten sich faschistisch geprägte Ärztinnen und Ärzte oft in den Dienst des totalitären Regimes und waren in grausame Menschenverbrechen verwickelt. Bis heute ist dieses dunkle Kapitel der Medizingeschichte unzureichend gesellschaftlich beleuchtet und im Medizinstudium verankert.

Das wollen Wittener Medizin- und Psychologiestudierende gemeinsam mit Lehrenden des Integrierten Begleitstudiums Anthroposophische Medizin (IBAM) der Universität Witten/Herdecke (UW/H) ändern. Dafür laden sie am 1. November von 14 bis 21 Uhr zum öffentlichen Präsentations- und Diskurstag „Lehren von Auschwitz – Erfahrungen und Ergebnisse einer medizinethischen Exkursion“ ins Unikat, Bahnhofstraße 63 in Witten, ein. Die Studierenden zeigen Arbeiten, die auf Grundlage einer Exkursion zur Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau im April 2019 entstanden sind.

Erfahrungen weitergeben

„Wir möchten unsere Eindrücke und Erfahrungen weitergeben, Witten erreichen und mit anderen ins Gespräch kommen, um über die Ethik und Geschichte von Medizin im Nationalsozialismus zu informieren“, sagt Anna Enninger, Medizinstudentin an der UW/H im 10. Semester und Mitglied des Organisationsteams. In einer moderierten Poster- und Foto-Ausstellung werden Themen wie „Ehefrauen von SS-Männern“, „Deutsche Industrie in der NS-Zeit und heute“ sowie „Queeres Leben und Verfolgung“ oder „Patenschaft der Stolpersteine in Witten“ präsentiert. Auch werden Ausstellungstafeln von Wittener Bürgerinnen und Bürgern gezeigt, die Opfer des Nationalsozialismus wurden; die Tafeln wurden durch den Lions Club Witten Rebecca Hanf angefertigt, deren Namensgeberin in Witten lebte und als Jüdin in Auschwitz umgebracht wurde.

Vortrag über Auschwitz-Überlebenden

Am Abend findet ein Podiumsgespräch zum Thema „(Ent)humanisierung in der Medizin heute“ statt, welches sich mit der Entstehung von Ausgrenzung und Diskriminierung und Möglichkeiten der Überwindung beschäftigt. Darüber hinaus hält Prof. Dr. Peter Selg einen Vortrag über den Auschwitz-Überlebenden Primo Levi (1919-1987) und die Aktualität seiner Lagererfahrungen und deren Konsequenzen, in gesellschaftspolitischer wie medizinethischer Hinsicht.

„Primo Levi sah sich einer weltgeschichtlichen, politischen und ökologischen Situation gegenüber, die unübersehbar Züge der Unlösbarkeit und Unentrinnbarkeit vorwies und aus dem miterlebten Bösen des Faschismus und Nationalsozialismus, der Verfremdung und dem Missbrauch von Wissenschaft und Technik, aus der Ideologisierung und dramatischen Enthumanisierung bis hin zu den Gaskammern nichts gelernt und keine Konsequenzen gezogen hatte“, erklärt Peter Selg, Professor für anthropologische Grundlagen der Medizin. Seine regelmäßigen, öffentlichen Beiträge thematisieren seit vielen Jahren grundlegend die Ideengeschichte und Ethik der Medizin. Gemeinsam mit Diethard Tauschel vom IBAM ist er Initiator des medizinethischen Modell-Curriculums „Ärztliche Bewusstseinsbildung“ an der UW/H, in dessen Rahmen auch die Exkursion in die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau stattfand.

Der öffentliche Präsentations- und Diskurstag wird aus Spenden und von der Bethe-Stiftung finanziert. Der Eintritt ist frei.

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