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13. Zukunftskongress öffentliche Apotheke

Rund 500 Teilnehmer erleben gelungene digitale Premiere

Apothekerverband Nordrhein e.V. am 22. Februar 2021

Dr. Mai Thi Nguyen-Kim begeistert mit Keynote

Am 20.02.2021 fand der „Zukunftskongress öffentliche Apotheke“ erstmalig im digitalen Format mit rund 500 Teilnehmern statt. Im Fokus stand die zentrale Bedeutung der Apotheken vor Ort in der Pandemie. Der Apothekerverband Nordrhein nutzte die Plattform, um durchgehend klare Forderungen zur Honorierung der Apotheken gezielt anzusprechen. Neben Apothekerinnen und Apothekern nahmen Vertreter aus Apothekerkammern und -verbänden, an der Spitze die neue ABDA-Präsidentin, Frau Gabriele Regina Overwiening, teil. Darüber hinaus begrüßt werden konnten u.a. Teilnehmer von Krankenkassen, dem pharmazeutischen Großhandel, den Rechenzentren, Softwarehäusern, Arzneimittelherstellern, dem Verband Freier Berufe NRW, dem Verbraucherzentrale Bundesverband, Patientenvertretern, zahlreichen Pharmaziestudierenden sowie PTA und PKA und zahlreiche Medienvertreter aus Fachpresse und Publikumsmedien.

Kommunal- und bundespolitische Spitzenvertreterinnen untermauern wichtige Bedeutung der Apotheken vor Ort

Bereits das Grußwort der Oberbürgermeisterin der Bundesstaat Bonn, Katja Dörner (Bündnis90/Grüne), stand im Zeichen der Rolle der Apotheken in der Pandemie. An zahlreichen Beispielen veranschaulichte sie die wichtige Bedeutung. Die Parlamentarische Staatssekretärin aus dem Bundesgesundheitsministerium, Sabine Weiss (MdB), unterstrich diese in ihrem gesundheitspolitischen Lagebericht ebenfalls und verwies auf unterschiedliche Aufgaben, die Apotheken vor Ort übernommen hätten. Vor diesem Hintergrund betonte Weiss nicht nur, dass man das Leistungsspektrum erhalten, sondern die große Kompetenz noch stärker nutzen müsse als bisher. In diesem Zusammenhang verwies sie auf bereits in dieser Legislaturperiode umgesetzte Maßnahmen der Bundesregierung. An erster Stelle das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG). Hinsichtlich des seit Dezember 2020 geltenden Rx-Boni-Verbot im GKV-Bereich verdeutlichte sie, dass eine Umsetzung des Rx-Versandverbotes „rechtlich sehr bedenklich“ gewesen wäre. In Bezug auf weitere Gesetzgebungsmaßnahmen zur Stärkung der Apotheken nannte sie die Erhöhung der Notdienstpauschale sowie die neue Botendienst-Regelung und dazugehörigen Vergütung.

Apotheker stärker in Pandemiebewältigung einbinden

In seiner ersten Stellungnahme auf den Lagebericht der Staatssekretärin kritisierte der Vorsitzende des Apothekerverbandes Nordrhein e.V., Thomas Preis, zunächst die Bundespolitik, dass es länger als vier Jahre gedauert habe, eine Antwort auf das EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung zu finden. Das nun bestehende, aber nicht für die PKV geltende Rx-Boni-Verbot, kritisierte er als „halbherzig“ und machte deutlich, dass man hier nicht locker lassen werde.

Unabhängig davon machte Preis konkret an fünf Punkten deutlich, wie die Apotheken hinsichtlich der weiteren Pandemiebewältigung stärker eingebunden werden können. Denn schließlich sei nicht davon auszugehen, dass ein Ende der Pandemie trotz zwischenzeitlich sinkender Infektionszahlen absehbar sei. Erstens müssten die Impfungen vorangebracht werden und dabei auch beachtet werden, dass die Impfkapazitäten mit dem steigenden Impfangebot Schritt hält. Dabei verdeutlichte Preis: Wenn Ärzte in Impfzentren und künftig auch Hausärzte es nicht schaffen würden, die verfügbaren Impfstoffe zeitnah zu verabreichen, dann müsse die Politik hier schnell eine Entscheidung treffen. Die Menschen würden es nicht akzeptieren, wenn Impfstoff da ist, aber nicht unmittelbar verimpft werden kann. Für diesen Fall stünden Apotheker bereit. Denn Studien verdeutlichten, dass die Nebenwirkungen ähnlich ausfielen wie die Nebenwirkungen bei Grippe-Impfstoffen. Und da Apotheker, wie das Modellprojekt in Nordrhein zeige, inzwischen Grippeimpfungen erfolgreich durchführten, sollten auch Coronavirus-Impfungen in Apotheken grundsätzlich möglich sein, so Preis. Zweitens müsse die Teststrategie qualitätsgesichert ausgebaut werden und Apotheken als wichtige Anlaufstelle genutzt werden; auch um zu den zu erwartenden Laientests fachkundig zu beraten. In diesem Zusammenhang forderte Preis nachdrücklich, dass Apotheker in den kommenden Wochen schneller als ursprünglich geplant geimpft werden. Schließlich seien Apotheker in den vergangenen Monaten dauerhaft einer ständigen Infektionsgefahr ausgesetzt. Drittens müsse aufgrund der andauernden pandemischen Lage, die Coronavirus-Schutzmasken-Verordnung hinsichtlich der weiterhin schnellen und qualitätsgesicherten Versorgung von FFP2-Masken über Apotheken vor Ort fortgeschrieben werden. Viertens forderte Preis, dass die derzeit für Apotheker geltenden erleichterten Abgabemöglichkeiten bei den Rabattverträgen im Sinne einer schnellen und sicheren Arzneimittelversorgung verlängert werden müssen. Fünftens verwies Preis auf die wichtige Rolle der Apotheken bei der fachkundigen Informations- und Aufklärungsarbeit. Diese Kompetenzen der Apotheker und ihrer Teams müsse in der Pandemie weiterhin genutzt werden. „Wir Apotheker erklären Gesundheit, wir erklären den Menschen die Pandemie“, betonte Preis.

Dr. Mai Thi Nguyen-Kim begeistert mit Keynote: Leidenschaftliches Plädoyer für eine wissenschaftlich fundierte Gesundheitskommunikation

Die vielfach ausgezeichnete Wissenschaftsjournalistin und „YouTuberin des Jahres 2020“ Dr. Mai Thi Nguyen-Kim wurde pünktlich um 11.45 Uhr zum Online-Kongress von Moderator Ralph Erdenberger zugeschaltet. Sie meldete sich aus ihrem „maiLab“-Studio, in dem ihre YouTube-Beiträge produziert werden, mit denen sie regelmäßig ein Millionenpublikum erreicht. In authentischer Form und auf ganz persönliche Weise umschrieb die promovierte Chemikerin zunächst ihre große Begeisterung für Naturwissenschaften. Exklusiv anlässlich des Zukunftskongresses zitierte sie dazu auch aus ihrem noch unveröffentlichten Buch „Kleinste gemeinsame Wirklichkeit“. Ihr Keynote-Vortrag zum Thema „Fakt statt Fake – Gesundheitskommunikation neu denken“ erwies sich als leidenschaftlich vorgetragenes Plädoyer, bei dem sie die Wichtigkeit von wissenschaftlich fundierten Fakten vor dem Hintergrund einer zunehmend skandalisierten Internet- und Medienwelt betonte. Eine zentrale Forderung gerade auch hinsichtlich einer erfolgreichen Pandemiebewältigung lautete, dass es ein gemeinsames Verständnis von Wirklichkeit geben müsse, sonst verliere man nur Zeit. Infolgedessen müsse am Ende eines Streits eine gemeinsame Erkenntnis stehen. Angesprochen auf die Apotheken vor Ort betonte sie die Leistungsfähigkeit. Man solle nicht unterschätzen, was da geleistet werde. Die Tatsache, einfach als Person und Mensch in der Apotheke für andere da zu sein, bezeichnete sie als „unheimlichen Wert“. Zudem seien Apotheken noch einfacher zugänglich als Arztpraxen. Damit könnten sehr viele Menschen positiv erreicht werden.

Politische Diskussionsrunde: Klare Forderungen an Politik

Bei der politischen Diskussionsrunde mit den Gesundheitspolitikern der Bundestagsfraktionen Dr. Georg Kippels (CDU), Prof. Andrew Ullmann (FDP) und Jörg Schneider (AfD) stand die Rolle der Apotheken in der Pandemie im Mittelpunkt, insbesondere die Themen Schnelltests, die Honorierung der Apotheken, speziell auch bei pharmazeutischen Dienstleistungen. Einigkeit herrschte bei allen Gesundheitspolitikern, dass die Rolle der Apotheken in der Pandemie essenziell war.

Hinsichtlich der geplanten flächendeckenden Einführung von Schnelltests für Laien forderte Thomas Preis, dass diese nur über Apotheken abgegeben und nicht über Supermärkte verramscht werden. Das Wissen über Corona-Tests und deren Anwendung sei in der Bevölkerung nicht sehr groß. Deswegen und auch wegen der Dokumentation und Meldung von möglichen Positivfällen gehörten sie in die Apotheke. AfD-Gesundheitspolitiker Jörg Schneider pflichtete dem bei und plädierte dafür, dass man die Kompetenzen der Apotheker diesbezüglich nutzen solle, weil die Verkäufer im Supermarkt zu den Tests nicht beraten könnten. FDP-Gesundheitspolitiker und Internist Prof. Andrew Ullmann erklärte hingegen, er traue es den Verbrauchern zu, die Tests selbst durchzuführen. CDU-Gesundheitsexperte Dr. Georg Kippels will sich dafür einsetzen, dass die Laientests nicht als Ramschware angeboten werden. Allerdings sei es wichtig, die Tests möglichst flächendeckend und schnell in die Bevölkerung zu bringen, damit beispielsweise Konzerte oder Kinobesuche bald wieder möglich seien.

Umdenken bei Honorierung von Dienstleistungen der Apotheken eingefordert

Beim Thema Apothekenhonorar wies Thomas Preis die Politiker zunächst darauf hin, dass die Zahl der Rezepte in den Apotheken in der Pandemiezeit deutlich rückläufig seien. Das aktuelle Jahr startete im Januar in Nordrhein sogar mit einem Minus von etwa 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Spätestens Mitte oder Ende dieses Jahres könnten die Apotheken daher in eine wirtschaftliche Schieflage kommen. Hier müsse was passieren, sonst haben wir bald ein Problem, betonte Preis. Unabhängig davon hat der Apothekerverband Nordrhein auch weitere Punkte angemahnt und auch auf Ungleichbehandlungen hingewiesen. Hinsichtlich der fehlenden finanziellen Unterstützung des Staates bei der Schutzausrüstung wies Thomas Preis darauf hin, dass Apotheken vor Ort hier in Eigeninitiative umfangreich investieren mussten: Allein in Nordrhein 3,6 Mio. Euro, wie eine Blitzumfrage des AVNR Ende Mai 2020 ergeben habe. Auch das Arztpraxen Corona-Tests für ihre Teams bezahlt bekämen und Apotheken nicht, sei nicht akzeptabel, kritisierte Preis. Ebenso wenig Verständnis hatte Preis dafür, dass Apotheker für die Durchführung von Antigentests schlechter honoriert werden als Ärzte. Nicht zuletzt gäbe es sehr deutliche Vergütungsunterschiede in Impfzentren zwischen Medizinern und Apothekern.

Mit Blick auf die Bundestagswahl forderte Preis ein Umdenken und forderte die Politik auf, die Dienstleistungen der Apotheker deutlich besser zu vergüten. Bisherige Honorierungen seien vielfach nur Beiwerk und nicht kostendeckend. Die für die pharmazeutischen Dienstleistungen vorgesehenen 150 Millionen Euro ab 2022 seien runter gerechnet auf die einzelne Apotheke ebenfalls viel zu gering angesetzt, so Preis.

FDP-Gesundheitsexperte Ullmann pflichtete Preis bei, dass die Apotheker für Dienstleistungen besser bezahlt werden müssten, forderte aber, dass es neue Vergütungsvorschläge der ABDA bedürfe, beispielsweise in Form einer Gebührenordnung. Zudem appellierte Ullmann an die Apotheker, dass sie ihr Licht als Heilberufler nicht unter den Scheffel stellen sollten. Er könne sich z.B. vorstellen, die Apotheken als niedrigschwellige Anlaufstelle in Präventionsprogrammen, zum Beispiel bei den Themen Ernährung und Diabetes, stärker einzubinden und auch zu honorieren. Das finde zwar schon statt, aber noch nicht konsequent genug. Ullmann, selber Internist, betonte in seinen Statements immer wieder die wichtige Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker. Hier dürfe es keinen Gräben geben. Nur gemeinsam sei man stark, insbesondere bei der Bewältigung der Pandemie.

Auch Kippels kündigte an, sich für eine bessere Vergütung von Dienstleistungen einzusetzen und er sicher sei, dass dies in die Pläne für die nächste Legislaturperiode einfließen werde. Was die bereits gesetzgeberisch beschlossenen pharmazeutischen Dienstleistungen angeht, bezeichnete er es allerdings als zu früh, vor den Verhandlungen dazu mehr Geld zu fordern.

Prof. Dr. Theodor Dingermann mit beindruckender (Zwischen-)Bilanz der Corona-Pandemie aus pharmazeutischer Sicht

Prof. Dr. Theo Dingermann nahm die Teilnehmer in seinem Vortrag mit auf eine Zeitreise, in der er rückblickend signifikante pharmazeutische Entwicklungen in der Corona-Pandemie anschaulich mit eindrucksvollen Fakten aufzeigte und analysierte. Gleich zu Beginn machte er deutlich, dass alle auf diese Pandemie schlecht, besser gesagt, gar nicht vorbereitet gewesen seien. Anhand aussagekräftiger und erkenntnisreicher Grafiken und Übersichten verdeutlichte er auch immer wieder das Ausmaß der Pandemie, auch im europäischen Vergleich. Ebenfalls Bestandteil seiner Analyse waren die Maßnahmen, die in Ländern weltweit und bei uns in Deutschland bisher ergriffen wurden und auch deren Erfolgsaussichten. Einen Schwerpunkt seiner Ausführungen widmete er auch der Impfstoffentwicklung, bei der er die „Vielfalt der Technologieplattformen“ anschaulich darstellte und dabei die „Impfstofftechnologie“ als „faszinierend“ einstufte. Während er die in der öffentlichen Debatte vielfach beschworene Herdenimmunität „nicht in Sicht“ sieht, machte er Hoffnung auf wirksame Medikamente gegen Corona, deren Entwicklungsstand er auch fachlich einordnete. Mit Blick auf die Pandemiebewältigung stellte er fest, dass die Apotheker gezeigt hätten, was in diesem Heilberuf stecke. Er bezeichnete die Apotheker als „Hauptspieler“ in der Pandemie und erwarte von der Politik, dass dies anerkannt und honoriert werde. „Aus Worten müssten Taten folgen“, forderte er.

Gelungene Premiere des ersten digitalen „Zukunftskongress öffentliche Apotheke“

Neben den hochkarätigen Vorträgen und Diskussionen, die im Rahmen des Online-Kongresses stattgefunden haben, muss noch hervorgehoben werden, dass auch in diesem neuen Format die Beteiligung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gelungen ist. Über eine integrierte Chatfunktion wurde die Möglichkeit geboten, sich zu beteiligen – wie zuvor bei den erfolgreichen Präsenzveranstaltungen der letzten Jahre im World Conference Center in Bonn. Diese Funktion wurde vielfach genutzt. Ralph Erdenberger, der als Moderator Teilnehmer, Referenten und Diskutanten wie gewohnt gekonnt durch das Programm führte, hat auch immer wieder anlassbezogen eingereichte Chatbeiträge aktiv in den Programablauf einbezogen.

Insgesamt ist die Premiere des ersten digitalen „Zukunftskongresse öffentliche Apotheke“ erfolgreich gelungen. Bereits unmittelbar nach der Veranstaltung haben den Verband zahlreiche positive Rückmeldungen aus dem Teilnehmerkreis erreicht.

Für diejenigen, die am Veranstaltungstag des ersten digitalen „Zukunftskongress öffentliche Apotheke“ verhindert waren, bereitet der Apothekerverband Nordrhein ein Online-Archiv in Form einer speziellen Mediathek vor.

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