Wir können Gesundheit

11. Zukunftskongress öffentliche Apotheke

Künstliche Intelligenz: Renommierte Forscherin sieht große Chancen für Apotheken im personalisierten Medikationsmanagement

Apothekerverband Nordrhein e.V. am 19. Februar 2019

Prof. Dr. Katharina A. Zweig, Bildquelle: AVNR

Der 11. Zukunftskongress öffentliche Apotheke am 16.02.2019 im ehemaligen Deutschen Bundestag in Bonn hat entscheidend dazu beigetragen, dass die öffentlichen Apotheken wieder mit mehr Zuversicht in die Zukunft blicken können. Die gut 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erlebten eine hochkarätige Kongressveranstaltung, auf der sich als zentrales Fazit ein klares landes- und bundespolitisches Bekenntnis zur Apotheke vor Ort herauskristallisierte. Vor diesem Hintergrund durfte es am Veranstaltungstag als Paukenschlag gewertet werden, dass Dr. Georg Kippels, MdB, sich nicht nur persönlich für ein Rx-Versandverbot aussprach, sondern diesbezüglich auch auf eine breite Mehrheit in der AG Gesundheit der Unionsfraktion hinwies. Erst kurz vor dem Kongress wurde bekannt, dass sich auch NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann bei einem Spitzentreffen der Apothekerverbände und -kammern für ein Rx-Versandverbot ausgesprochen hat. Genau diese Aussage bekräftigte auf dem Zukunftskongress Dr. Frank Stollmann als Vertreter des NRW-Gesundheitsministeriums und des Ministers, der terminbedingt nicht am Kongress teilnehmen konnte. Die Gleichpreisigkeit bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sei ein grundlegender sozialrechtlicher Eckpfeiler für den Erhalt der flächendeckenden Arzneimittelversorgung, so Stollmann.

Dringender politischer Handlungsbedarf bei Gleichpreisigkeit und für bessere Rahmenbedingungen

Bereits in seiner Begrüßung ließ der Vorsitzende des Apothekers Nordrhein e.V., Thomas Preis, keinen Zweifel daran, dass die Reformeckpunkte von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Vorschläge enthielten, die mit der Apothekerschaft überhaupt nicht verhandelbar seien. Vor allem die vorgeschlagene Duldung von Bonuszahlungen an Versicherte durch ausländische Versender sei für uns in keiner Weise akzeptabel, stellte Preis klar. Denn mit diesem Schritt verabschiede man sich von einer zentralen heilberuflichen Säule der Freiberuflichkeit beim Apothekerberuf: dem einheitlichen Abgabepreis. Dieser habe bei Apothekern quasi die Funktion einer Honorarordnung, wie sie auch bei anderen Freiberuflern wie Ärzten, Juristen oder Steuerberatern gelten würden, so Preis.

Gleichzeitig forderte Preis in seiner Begrüßungsrede und später auch in der Podiumsdiskussion bessere Rahmenbedingungen ein. Insbesondere auch für die Gewinnung von engagierten Nachfolgern in den Apotheken sei es wichtig, Apotheken bessere und verlässlichere Rahmenbedingungen zu bieten, so Preis – auch damit sich junge Pharmazeuten und alle Apothekerinnen und Apotheker, wieder auf das konzentrieren können, was für die Menschen in unserem Land wichtig sei: Heilberuflich und pharmazeutisch tätig zu sein. Definitiv nicht dazu gehöre dabei das immer kompliziertere Handling von Rabattverträgen, Importquoten, aufwändige Dokumentationsverpflichtungen und seit dem 9. Februar diesen Jahres, das nächste Bürokratiemonster in den Apotheken: securpharm. So gehe das nicht weiter, betonte Preis. Noch setzen die meisten Apothekerinnen und Apotheker auf ein schnelles und engagiertes Handeln der Politik. Aber immer mehr Kollegen stünden kurz davor ihre weißen Apothekerkittel quasi gegen die gelben Westen des Protestes zu tauschen. Und das, so urteilten immer mehr: Vollkommen zu Recht!

„Wir brauchen die flächendeckende Versorgung über die Apotheken vor Ort“

In seinem gesundheitspolitischen Lagebericht betonte Dr. Frank Stollmann stellvertretend für das NRW-Gesundheitsministerium und als Vertreter von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann das klare Bekenntnis der NRW-Landesregierung für die Freien Berufe und insbesondere für die öffentliche Apotheke. Diese seien Dienstleister im öffentlichen Interesse und unverzichtbarer Bestandteil der medizinischen Infrastruktur. Vor dem Hintergrund der auch in NRW gesunkenen Anzahl an Apotheken betonte er, dass man die flächendeckende Versorgung über die Apotheken vor Ort brauche und daher sicherstellen müsse. Er bekräftigte daher auch nochmal die Gleichpreisigkeit bei Rx-Arzneimitteln als grundlegenden sozialrechtlichen Eckpfeiler für den Erhalt der flächendeckenden Arzneimittelversorgung und die Notwendigkeit eines Rx-Versandverbotes, wie es Minister Laumann kurz vor dem Kongress gefordert hatte. Der Minister, betonte Stollmann, unterstütze die Apotheke vor Ort und das Rx-Versandverbot aus tiefer Überzeugung. Der Ministeriumsvertreter verwies auch auf weitere Aktivitäten der NRW-Landesregierung, die dazu dienten die ambulante und stationären Versorgungsstrukturen zu stärken. Dazu gehöre allen voran die weitere Intensivierung des Hausarztaktionsprogrammes und weitere Impulse, die auch für die Apotheken vor Ort wichtig seien.

Künstliche Intelligenz: Renommierte Forscherin sieht große Chancen für Apotheken im personalisierten Medikationsmanagement

Prof. Dr. Katharina A. Zweig definierte in ihrem viel beachteten Keynote-Vortrag nicht nur den Begriff der Künstlichen Intelligenz (KI), sondern auch was man in der Gesellschaft in Bezug auf ihre Auswirkungen in immer mehr Lebensbereiche von ihr erwarten darf. Die Sachverständige der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, die zu den renommiertesten Forscherinnen bundesweit auf dem Gebiet der KI zählt, warf auch einen Blick in die fernere Zukunft hinsichtlich der Bedeutung des Apothekerberufes. Hier hob sie vor allem eine ganz große Stärke der Apotheke vor Ort hervor: Die Vertrauensposition, die man bei Patienten habe und die Bürgernähe. Apotheken seien daher auch die vertraute Anlaufstelle, um als Patienten Daten bereitzustellen. Große Chancen für Apotheken sieht die Forscherin vor allem im personalisierten Medikationsmanagement mit Unterstützung von künstlicher Intelligenz und auch bei der Datenerhebung zur Ermittlung von Arzneimittelunverträglichkeiten und Nebenwirkungen sowie zur richtigen Einnahme von Arzneimitteln. Im Hinblick auf die weitere Ausgestaltung von Anwendungen der Künstlichen Intelligenz plädierte die Sachverständige des Bundestages für eine ethische Diskussion. In einer anschließenden Plenardiskussion mit Frau Prof. Zweig wurde genau dieser von heilberuflicher Seite bekräftigt. So stellte der stv. Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Dr. med. Carsten König, fest, dass Künstliche Intelligenz immer nur unterstützen könne, die Entscheidung müsse bei den Heilberuflern liegen. Frau Prof. Zweig betonte auch, dass die weitere Ausgestaltung von KI zwingend mit dem fachlichen Input von heilberuflicher Seite erfolgen müsse. Sie rief dazu auf, sich hier in die Diskussion mit der Politik aktiv einzubringen.

Apotheker stellen in Podiums- und Plenardiskussion mit Bundesgesundheitspolitikern klare Forderungen, Rx-Versandverbot bekommt neuen bundespolitischen Rückenwind

In der Diskussion mit den gesundheitspolitischen Vertretern der Bundestagsfraktionen wurden die Positionen der Apothekerschaft zur aktuellen Reform der Arzneimittelversorgung, zur Umsetzung des E-Rezeptes ebenso aktiv eingebracht wie Forderungen für bessere Rahmenbedingungen. Diese wurden nicht nur vom Vorsitzenden des Apothekerverbandes Nordrhein e.V., Thomas Preis, als Diskussionsteilnehmer vorgetragen. Erstmalig wurde das Plenum insgesamt noch aktiver von Moderator Ralph Erdenberger in die Diskussion eingebunden. Das Dialogangebot wurde von den anwesenden Apothekerinnen und Apothekern sehr intensiv genutzt. So wurden nicht nur von Thomas Preis, sondern auch von Apothekern aus dem Plenum bessere Rahmenbedingungen für die Apotheken eingefordert, wirtschaftlich, aber insbesondere weniger Bürokratie im Sinne von mehr Freiraum für die pharmazeutische Beratung und Betreuung der Patienten. Stellvertretend für das Plenum forderte Preis unter Verweis auf ärztliche Therapiefreiheit: „Mehr pharmazeutische Handlungsfreiheit für Apotheker!“ Für einen Paukenschlag sorgte der Bundestagsabgeordnete Dr. Georg Kippels, der sich hinsichtlich eines Rx-Versandverbotes klar für ein Rx-Versandverbot, dem ursprünglichen Plan des ehemaligen Gesundheitsministers Hermann Gröhe, aussprach. Diesbezüglich verwies er auch auf eine breite Mehrheit in der AG Gesundheit der Unionsfraktion. Hinsichtlich zuletzt immer wieder von Politikern vorgetragener rechtlicher Bedenken zeigte er sich auch als Jurist insbesondere mit Verweis auf das neuerliche Rechtsgutachten des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Prof. Dr. Dr. Udo di Fabio sehr zuversichtlich, dass das Rx-Versandverbot umsetzbar sei. Auch wenn im Laufe der weiteren Diskussion des Podiums beim Rx-Versandverbot erwartungsgemäß keine Einstimmigkeit bei den Fraktionsvertretern erzielt werden konnte, so gab es aber ein fraktionsübergreifendes Bekenntnis dahingehend, Apotheken vor Ort zukunftsorientiert weiterzuentwickeln und insbesondere die pharmazeutischen Kompetenzen im Sinne einer optimierten Versorgungsqualität besser zu nutzen; im Einklang mit einer angemessenen Honorierung.

Hilfreiche Experteneinschätzungen zur Patientenkommunikation und Finanzmarkt

Mit den Beiträgen des renommierten Patientenforschers und Apothekenmarketingexperten Prof. Dr. Gerhard Riegl zum Thema „Patienten- und Kundenkommunikation im digitalen Zeitalter“ sowie einem fundierten Ein- und Ausblick auf die Entwicklung der Finanzmärkte vom Finanzmarktexperten Jakob Fiedler der apoBank erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Nachmittag des Zukunftskongresses neue Erkenntnisse zu diesen Themen. Was den Apothekenalltag anbetrifft, konnte Prof. Riegl zielführende und praxisorientierte Hinweise geben, wie man mit einer noch stärkeren emotionalen und empathieorientierten Kommunikation die Kundengewinnung und -bindung verbessern bzw. stärken kann. Der Maxime folgend, dass Kommunikation die Königstugend der Apotheker sei, gab er den Apothekern den Rat mit, dass sie mehr operative Daten über ihre Patienten und Kunden generieren und diese auch gezielter nutzen sollten.

Partnerausstellung stößt auf großen Zuspruch

Ein weiterer zentraler Baustein des Kongresses war erneut die flankierende Partnerausstellung von führenden Unternehmen im Apotheken- und Pharmamarkt. Die Kongressteilnehmer nutzen intensiv die Gelegenheit, sich über Innovationen für den Apothekenmarkt 2019 live vor Ort, u.a. zur Rezeptabrechnung, Apothekensoftware, Steuerberatung, Internetauftritten, Großhandel, persönlich zu informieren.

Sehr positives Gesamtfazit und Ausblick

Die stv. Verbandsvorsitzende Doris Schönwald zog am Ende der Veranstaltung ein sehr positives Gesamtfazit der Veranstaltung. „Am Ende des 11. Zukunftskongresses nehmen wir vielfältige Erkenntnisse gesamtgesellschaftlicher, politischer wie auch ganz praktischer Art mit in unseren Apotheken-Alltag“, betonte sie. Der heutige Zukunftskongress habe erneut wichtige Impulse geliefert und auch neue Perspektiven skizziert. Gelungen sei es auch, politische Positionen gegenüber den Vertretern der Bundestagsfraktionen unmissverständlich zu verdeutlichen, und damit auch ein Zeichen zu setzen für die zukunftsorientierte Positionierung des freien Heilberufes. Jetzt komme es darauf an, das Reformvorhaben zur Arzneimittelversorgung genau im Auge zu behalten und die Interessen weiterhin aktiv zu vertreten. Im Rückblick auf einen erfolgreichen Kongresstag freue man sich auch darüber, dass das erstmals für PTAs und PKA eingerichtete Programmangebot am Nachmittag gut angekommen sei. Abschließend dankte Doris Schönwald den Kongressteilnehmern und -partnern und bat darum, sich jetzt bereits die Termine kommender Veranstaltungen des Apothekerverbandes Nordrhein e.V. vorzumerken:
den 7. OTC-Gipfel am 07.11.2019 in Düsseldorf und den 12. Zukunftskongress öffentliche Apotheke am 08.02.2020 in Bonn

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