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Weißes Laken mit Herzen und Lichterketten

Hochzeit auf Intensivstation: Pflegeteam ermöglicht Patienten seinen „letzten Wunsch“

Klinikum Dortmund gGmbH am 13. August 2019

Als sich die Automatik-Tür zur Intensivstation mit einem Surren öffnet, hält die 51-Jährige überwältigt inne. Sie hört Kirchenmusik von einem CD-Player. Hier, wo sonst Apparate piepen und Displays von den Vitalwerten der daran angeschlossenen Menschen berichten. Sie kann es nicht glau-ben, gleich wird sie heiraten. Eine Standesbeamtin ist da, das Team der Station ND 1 des Klinikums Dortmund Nord hat alles organisiert und deko-riert. Ihr Mann (62) liegt in seinem Bett. Gut sieht er aus, hatte am Morgen extra lange seine Atemmaske über dem Mund. Der Sauerstoff gibt ihm Kraft, denn er will seine große Liebe heiraten, so lange er noch kann. Jetzt gleich ist also Hochzeit. – 24 Stunden vorher war das noch nicht absehbar.

Da hatte nämlich Schwester Katy den Patienten gefragt, ob er wirklich seine Partnerin heiraten wolle. Erzählt hatte er das immer mal. Es sei sein größter Wunsch. Schon seit er sie vor neun Jahren während einer Kur kennengelernt hatte. Der 62-Jährige wird nun seit Anfang Juni auf der Lungen-Intensivstation behandelt – palliativ. So nennen das Mediziner, wenn es für einen Menschen auf die Zielgeraden seines Lebens zugeht und dieser Weg möglichst schmerzfrei und würdevoll sein soll. Viel Zeit bleibt da nicht mehr.

Seine Partnerin und er schauen sich verdutzt an – geht das denn so einfach, auf einer Intensivstation zu heiraten? Ganz so einfach nicht, und das gab es auch noch nie auf der ND 1. Doch das Team dort kennt kein „Klappt nicht“. Schwester Michaela hängt sich ans Telefon. Das Standesamt vor Ort wird informiert. Die Braut müsse noch ein paar Unterlagen einreichen. Unterlagen? Woher die noch so schnell bekommen, zumal die 51-Jährige knapp vier Autostunden von Dortmund entfernt wohnt. Doch die Frau setzt sich ans Steuer – „es ist ja schließlich sein letzter Wunsch, mich zu heiraten“, sagt sie.

Nachts erreicht sie ihre Heimatstadt, ruft aber sogleich auf der Station an, um zu fragen, wie es ihrem zukünftigen Ehemann geht. Die Schwestern sagen ihr, dass sie ihn noch nie so voller Vorfreude gesehen hätten. Das macht ihr Mut. Dann schläft sie; vielleicht drei Stunden. Obwohl das irgendwie auch kein Schlaf ist unter diesen Umständen. Lebt er noch, wenn ich morgen wieder aufwache? Morgens weit vor Bürobeginn kann sie aufs dortige Standesamt, der Mitarbeiter macht auf kurzem Dienstweg alles möglich.

Auf der Rückfahrt nach Dortmund gibt es auf einem Rastplatz ein weiteres Telefonat. Mit der Standesbeamtin. Ob denn alles geklappt habe und alles zeitlich machbar sei. Die 51-Jährige erlebt sich wie in einem Dauer-Sprint. Alles muss schnell gehen. So schnell, dass auch keine Zeit für Brautstrauß & Co. bleibt. Sie trägt eine Jeans und ein rotes T-Shirt. Das ist ihr „Brautkleid“. „Immerhin ist das T-Shirt rot, die Farbe der Liebe“, sagt sie ihrem Mann, als sie ihn nach der langen Autofahrt glücklich auf der Station sieht.

Das Team hat an seinem Bett ein weißes Laken mit Herzen und Lichterketten angebracht, über seinem Kopf klebt ein kleiner Zettel: „Mr & Mrs“. Und da so schnell keine Fliege für den Bräutigam aufzutreiben war, hat das Team aus Bettsocken und einem Band eine Fliege gebastelt. „Die habe ich auch als Erinnerung an den Tag mit nach Hause genommen“, sagt die 51-Jährige. „Das ist gerade echt alles ein Wechselbad der Gefühle, ein Taumeln zwischen Freude und Traurigkeit, irgendwie alles so unwirklich.“

Nach wenigen Minuten hat die Standesbeamtin die Trauung vollzogen. In dem Zimmer mit den vielen Geräten und Knöpfen befindet sich nun ein frisch getrautes Ehepaar. Der Mann atmet schwer – vor Glück: „Jetzt bist du endlich meine Frau“. Ringe haben sie keine, aber sie spendieren dem Team der Station ND 1 Pizza – als Dank für dieses wirklich außergewöhnliche Engagement. Und dann sagen sie noch: „Feiert ihr für uns. Wir werden dazu nicht mehr kommen.“ Denn nach der Trauung wird es für das Paar nun heißen: Abschied nehmen.

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