Gesundheitsmetropole Ruhr Themen

Hochschule für Gesundheit in Bochum erhält ihre erste Stiftungsprofessur

Die Waldtraut und Sieglinde Hildebrandt-Stiftung stiftet der Hochschule für Gesundheit (hsg Bochum) eine Professur zur Rehabilitationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Sehbeeinträchtigung bei Kindern und Jugendlichen.

Hochschule für Gesundheit am 17. Juli 2020

Das Department Angewandte Gesundheitswissenschaften (DAG) hat gemeinsam mit der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Dortmund und weiteren Kooperationspartnern die erste Stiftungsprofessur für die hsg Bochum eingeworben. Am 7. Juni 2020 unterzeichnete hsg-Präsident Prof. Dr. Christian Timmreck auf dem Gesundheitscampus in Bochum den Vertrag mit dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, der die Hildebrandt-Stiftung als Rechtsträger vertritt, zur Besetzung der Stiftungsprofessur.

„Von der Stiftungsprofessur an der hsg Bochum werden Studierende und Lehrende der Hochschule gleichermaßen profitieren“, sagte hsg-Präsident Prof. Dr. Christian Timmreck. Foto: hsg Bochum

„Das Engagement der Kolleg*innen, die in den vergangenen Jahren durch ihren Einsatz das Thema interprofessionelle Zusammenarbeit im Kontext kindlicher Entwicklung an der Hochschule für Gesundheit vorangetrieben haben, mündete in das erfolgreiche Einwerben dieser Stiftungsprofessur. Gratulation dazu! Wir bedanken uns bei der Hildebrandt-Stiftung für die Stiftungsprofessur, von der Studierende und Lehrende der hsg Bochum gleichermaßen profitieren werden, und beim Stifterverband für die organisatorische Unterstützung. Das Vertrauen der Hildebrandt-Stiftung ist für die Hochschule Motivation und Verpflichtung zugleich, noch intensiver die Sehbeeinträchtigung als Thema für die Gesundheitsversorgung zu begreifen und in die akademische Ausbildung der Fachkräfte in den Gesundheitsberufen aufzunehmen, Lehrangebote auszubauen und innovative Versorgungsmodelle zu entwickeln“, sagte hsg-Präsident Timmreck.

Mit der Stiftungsprofessur antworten Hochschule und Hildebrandt-Stiftung auf den beiderseits erkannten, hohen Versorgungs- und Beratungsbedarf speziell anlässlich (bislang unentdeckter) Sehbeeinträchtigung im Kindes- und Jugendalter. Wie hoch der Bedarf an Ausbildung bei den Menschen ist, die in den Gesundheitsfachberufen arbeiten, in dem Bereich Sehbeeinträchtigung bei Kindern und Jugendlichen ist, zeigte sich an der hsg insbesondere dadurch, wie gern innovative Lehrangebote zum Thema von den Studierenden angenommen wurden.

„Im November 2017 wurde in der Entwicklungsneuropsychologischen Ambulanz (ENPA) im Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) der Klinikum Dortmund gGmbH die deutschlandweit erste Seh-Lotsen-Sprechstunde (SLS) eröffnet, in der Familien beraten werden. Die Fallzahlen in der SLS steigen kontinuierlich. Dass dem Thema Sehen im wahrsten Sinne ein eigener Raum in einem Sozialpädiatrischen Zentrum eingeräumt wird, ist intuitiv zunächst vielleicht nicht nachzuvollziehen. Die Aufgabe, Sehbeeinträchtigungen im Kindesalter aufzudecken, scheint primär bei den Kinder- und Augenärzt*innen zu liegen“, sagte Dr. Nina Gawehn, Professorin für Entwicklungs- und Sozialpsychologie an der hsg Bochum und Leiterin der ENPA, und fügte hinzu: „Im Rahmen der Frühgeborenennachsorge haben wir in der ENPA jedoch wiederholt gesehen, dass es Kinder gibt, die offenbar Schwierigkeiten haben zu sehen und zu erkennen – trotz unauffälligem Augenarztbefund“.

Dass insbesondere Frühgeborene nach internationaler Studienlage eine Risikogruppe für Sehbeeinträchtigungen sind, bestärkte die Professorin die Seh-Lotsen-Sprechstunde in ihre Abteilung zu integrieren.

„In den letzten Jahren konnte ich in unserer Seh-Lotsen-Sprechstunde sehen, wie sinnvoll eine familien- und alltagsnahe Sehberatung an Schnittstellen ist. Denn die Untersuchung der Hirnstrukturen mittels bildgebender Verfahren führt nicht in jedem Fall weiter, da Sehen als Kommunikationsvorgang von Netzwerken vorstellbar ist und das Gehirn zudem eine hohe Plastizität aufweist. Meist wirken sich (unentdeckte) Sehbeeinträchtigungen aber merklich auf den Alltag beziehungsweise das Verhalten des Kindes aus. Und dem in einer Beratungsstelle, die in eine Kinderklinik integriert ist, einen Platz zu geben erachte ich als absolut zukunftsweisend“, so Prof. Dr. Dominik Schneider, Klinikdirektor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Klinikum Dortmund gGmbH.

„Mit Blick auf die Studienlage und die Leitlinie ‚Visuelle Wahrnehmungsstörung‘ der ‚Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften‘ müssen wir davon ausgehen, dass sich unzählige Kinder mit bislang unentdeckten Sehbeeinträchtigungen in allen Bereichen der Sektoren Gesundheit und Bildung durchkämpfen. Wir brauchen neben weiteren ‚Seh-Lots*innen‘ dringend passgenaue und niedrigschwellige Aus- und Fortbildungsszenarien, die eine breite Zielgruppe ansprechen können, um die betroffenen Kinder zu finden. Insbesondere auch die Fachkräfte in den Gesundheitsfachberufen, die nicht primär als Seh-Spezialist*innen gelten, brauchen Wissen und Fertigkeiten, damit die Empfehlung der Spezialist*innen auch im Alltag ankommen. Die Digitalisierung bietet uns vielfältige Möglichkeiten für die Entwicklung passgenauer Lehrangebote “, ergänzte Dr. Verena Kerkmann, Leiterin der Seh-Lotsen-Sprechstunde und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der hsg Bochum.  Ein wichtiger Teil der Professur soll daher darin bestehen, digitale Lern- und Fortbildungskonzepte zu entwickeln.

Dotiert ist die W2-Professur über die Förderdauer von fünf Jahren mit insgesamt 375.000 Euro. Die Stiftungsprofessur umfasst neben einer halben Professur auch ein Promotionsstipendium zur Evaluation der ‚Strukturinnovation Seh-Lotsen-Sprechstunde‘. Die Person, die die auf die Stiftungsprofessur berufen wird, soll als festes Teammitglied in der SLS mitarbeiten und Familien beraten.

„Die Praxisnähe und der Anwendungsbezug ist die absolute Stärke der Hochschulen für Gesundheit in Bochum. Somit kommen die Erkenntnisse durch Forschung und Lehre den Familien unmittelbar wieder zugute“, betonte Nina Gawehn. „Die Stiftungsprofessur wird den Akademisierungsprozess voranbringen. Sie ist dazu im Department für Angewandte Gesundheitswissenschaften (DAG) verortet, wird aber in allen drei Departments der hsg lehren. So schließt sie an vielfältigen Punkten des Kompetenzspektrums an und stärkt insbesondere den immer wichtiger werden Bereich der interdisziplinären Zusammenarbeit“, betonte Prof. Dr. Sascha Sommer, Dekan des DAG.

Das Bewerbungsverfahren wird schon in Kürze starten. Zum Sommersemester 2021 soll die Stelle besetzt sein. Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft begleitet den gesamten Prozess der Einrichtung der Stiftungsprofessur von der Planung über die finanzielle Abwicklung bis hin zur Qualitätssicherung.

Hier erläutert der Stifterverband in einem Video, was eine Stiftungsprofessur ist: https://youtu.be/ZCf1m1VsTw4

© 2024 MedEcon Ruhr - Netzwerk der Gesundheitswirtschaft an der Ruhr

Wir können Gesundheit Wir können Gesundheit