Neues Zentrum für therapieresistente Depressionen
Das LVR-Klinikum Essen bietet Menschen mit chronisch schweren Depressionen in seinem neuen Zentrum für therapieresistente Depressionen moderne Behandlungsmethoden an.
Das Gerät, das Oberarzt Thomas Zwarg dem Patienten an die linke Seite seines Kopfes hält ist eher unscheinbar, kann aber einiges bewirken. Das Gerät ist eine Magnetspule, die mit einem Computer verbunden ist. Patient*innen, die unter therapieresistenten Depressionen leiden, können nun im Zentrum für therapieresistente Depressionen am LVR-Klinikum Essen mit der noch recht neuen repetitiven transkraniellen Magnetstimulation (rTMS) behandelt werden.
Neuer Baustein in der nichtinvasiven Behandlung
„Die repetitive transkranielle Magnetstimulation ist neben bereits etablierter Verfahren in unserer Klinik eine weitere gute und nichtinvasive Behandlungsmöglichkeit für Patient*innen mit therapieresistenten Depressionen“, berichtet Prof. Dr. med. Norbert Scherbaum, Chefarzt der Klinik und Ärztlicher Direktor des LVR-Klinikum Essen. Bei diesen Patient*innen wirken Antidepressiva, auch aus verschiedenen Wirkstoffklassen, kaum oder gar nicht. Das betrifft rund ein Drittel der Menschen mit Depressionen. Und da setzt das LVR-Klinikum Essen mit seinem neuen Zentrum an. Die rTMS ist dabei nur eine der neuen, modernen und vor allem schonenden Behandlungsformen des Zentrums.
Repetitive transkranielle Magnetstimulation
Die rTMS hat nahezu keine Nebenwirkungen. Zudem haben mittlerweile einige Studien belegt, dass die rTMS akut antidepressive Effekte hat 1. „Die rTMS ist eine elegante Methode, um von außen nicht invasiv und schmerzlos in kleinen Gehirnarealen eine Veränderung der Gehirnzellenaktivität erreichen zu können“, erklärt Thomas Zwarg. Drei bis sechs Wochen lang stimuliert eine Magnetspule täglich mit einer Frequenz von einem bis 50 Herz etwa zehn bis 30 Minuten lang die Großhirnrinde der Patient*innen. „In der Magnetspule, die wie ein Hut aufgesetzt wird, wird ein magnetisches Feld erzeugt. Dieses Feld erzeugt wiederrum einen kurzen Impuls, der in den Hirnnervenzellen zu einer elektrischen Reaktion führt“, erläutert Zwarg. Die rTMS unterstützt dabei die Signalweiterleitung im Gehirn. Je nach Abstand der gesendeten Impulse wird die Aktivität in dem jeweiligen Gehirnareal gehemmt oder erhöht. Diese Veränderungen der Gehirnaktivität kann zu einer Linderung der Beschwerden beitragen. „Die rTMS ist eine wichtige neue Behandlungsoption für Menschen, die von einer antidepressiven Pharmakotherapie bisher nicht profitieren können“, so der Oberarzt.
Elektrokonvulsionstherapie
Neben der rTMS und bereits etablierten und bekannten Verfahren, wie Psychotherapie und die Behandlung mit Antidepressiva, bietet das LVR-Klinikum Essen Betroffenen von therapieresistenten Depressionen weitere Behandlungsmöglichkeiten: „Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, etwa Großbritannien oder den USA, wird die Elektrokonvulsionstherapie oder Elektrokrampftherapie (EKT) in Deutschland seltener angewandt, obwohl an seiner Wirksamkeit bei richtiger Indikation keine Zweifel bestehen“, erklärt Norbert Scherbaum. Im LVR-Klinikum Essen wird die EKT bereits seit etlichen Jahren eingesetzt. Die Patient*innen werden für wenige Minuten unter Narkose und Muskelrelaxation gesetzt. Mit einer kurzen elektrischen Reizung des Gehirns wird ein Krampfanfall ausgelöst. Die Anfälle werden von den Patient*innen nicht bemerkt und sind kaum sichtbar. Der genaue Wirkmechanismus der EKT ist noch nicht geklärt. Die Wirksamkeit der EKT ist jedoch wissenschaftlich gut belegt. „Die EKT stellt bei richtiger Indikation die am schnellsten und am häufigsten wirksame Therapieform dar. Das kann unter Umständen lebensrettend sein“, sagt Norbert Scherbaum.
Vagusnerv-Stimulation
Ebenfalls noch recht kurz im Einsatz gegen therapieresistente Depressionen ist die Stimulation des Vagusnerv. Der Vagusnerv ist eine wichtige Verbindung zwischen Gehirn und Körper. In Kooperation mit der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Essen bietet das LVR-Klinikum diese Therapie seit 2018 an. Bei der Vagusnerv-Stimulation handelt es sich ebenfalls um eine nicht-medikamentöse Behandlungsform. Zunächst wird ein Generator unter die Haut unterhalb des Schlüsselbeins, ähnlich wie ein Herzschrittmacher, eingesetzt. Eine dünne Elektrode wird von dort aus mit dem Vagusnerv etwa auf Höhe des Kehlkopfes verbunden. Mit elektrischen Impulsen im unteren Milliampere-Bereich (0,25-2,25 mA) wird über die natürliche Verbindung des Vagusnervs die Energie schonend ins Gehirn geleitet, um dort seine Wirkung entfalten zu können. Bisherige Studien lassen darauf schließen, dass die depressiven Symptome merklich zurückgehen. Das Verfahren wird noch ausführlich wissenschaftlich untersucht.
1 George MS, Lisanby SH, Sackheim HA. Transcranial magnetic stimulation: applications in neuropsychiatry. Arch Gen Psychiatry 1999;56(4):300-11.
Lefaucheur JP, Andre-Obadia N, Antal A, et al. Evidence-based guidelines on the therapeutic use of repetitive transcranial magnetic stimulation (rTMS). Clin Neurophysiol 2014;125(11):2150-206.