Bochumer Medizin baut Nachwuchsgruppe Infektionsforschung auf
Die computerunterstützte Virologie setzt auf die Auswertung von Big Data und künstliche Intelligenz, um den Strategien der Viren auf die Schliche zu kommen.
Warum wirken Medikamente mal gegen Virusinfektionen und mal nicht? Was läuft zwischen Virus und Wirtszelle ab und beeinflusst den Krankheitsverlauf? Fragen wie diesen will eine neue Nachwuchsgruppe an der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum (RUB) mittels Big Data auf die Spur kommen. Unter der Leitung von Dr. Daniel Todt ist die Gruppe an der Abteilung für Medizinische und Molekulare Virologie angesiedelt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert den Aufbau mit 1,7 Millionen Euro für fünf Jahre.
Evolution von Viren und ihre Interaktion mit dem Wirt
Im Mittelpunkt der Arbeiten stehen sogenannte RNA-Viren, für die das Team der Bochumer Virologie eine besondere Expertise hat. Dazu gehören zum Beispiel verschiedene Hepatitis- und Coronaviren wie Sars-Cov-2. „Wir planen, die computergestützte Virologie weiter auszubauen, um durch die Auswertung von vorhandenen riesigen Datenmengen zu neuen Erkenntnissen zu kommen“, erklärt Daniel Todt. Einsatzgebiete gibt es viele. So konnte ein groß angelegtes Projekt bislang nicht aufklären, warum nach einer Lebertransplantation das neue Organ von manchen Patientinnen und Patienten abgestoßen wird und von anderen nicht. „Wir wollen mit Methoden der Virusinformatik und mittels künstlicher Intelligenz den Datensatz noch einmal unter einem neuen Blickwinkel ausleuchten und herausfinden, ob die Ursache vielleicht im Zusammenhang mit unerkannten viralen Erregern liegt“, erklärt Todt. Die Forschenden suchen hierfür in Leberbiopsien gezielt nach genetischen Fingerabdrücken von Viren, die vielleicht erklä ren können, wie der Körper auf das neue Organ reagiert.
Daneben widmet sich das Team der Evolution von Viren und der Interaktion zwischen Virus und Wirtszelle. Viren wie das Hepatitis-E-Virus können sich Vorteile verschaffen, indem sie Teile menschlicher mRNA ihrer Wirtszellen in ihre eigene Erbinformation einbauen. So können sie sich zum Beispiel schneller vermehren und möglicherweise der Behandlung mit antiviralen Medikamenten entgehen. Die vom Virus übernommenen Abschnitte der menschlichen Erbinformation sind vermutlich zufällig und entpuppen sich dann als von Vorteil oder von Nachteil für das Virus. Ob es zwischen vorteilhaften Genabschnitten Gemeinsamkeiten gibt und wie sich ihr Einbau auswirkt, wollen die Forschenden aufklären.
Die interdisziplinäre Herangehensweise der Gruppe, die Fachwissen aus Medizin und Informatik vereint, verspricht neue Einblicke in die Evolution und Virus-Wirt-Interaktion von RNA-Viren. „Die Förderung ermöglicht es uns, viele spannende translationale Projekte anzugehen und so langfristig zur Entwicklung neuer antiviraler Strategien beizutragen“, freut sich Bioinformatiker Daniel Todt.