Marien-Hospital Marl: Erstmals wenden Ärzte neues Verfahren an
Innovative Technik rettet Gabi Elsner nach einer Lungenarterienembolie das Leben
„Ich bekomme keine Luft, ich kann nicht mehr atmen, sagte sie noch. Zehn Sekunden später war sie bewusstlos“, erzählt Peter Elsner. Es war der 6. März, als seine Frau Gabi Elsner eine schwere Lungenembolie erlitt. Für ihre Familie begannen Tage der Ungewissheit. Sie selbst bekam nichts mehr mit. Ihr Herz war kurz davor, zu versagen. Erstmals setzten die Ärzte im Marien-Hospital Marl eine neue Verfahrenstechnik ein. Mit Erfolg: Gabi Elsner wurde gerettet.
Die 64-Jährige ging noch die Treppe hoch, sackte dort zusammen. Sie wollte sich nicht hinlegen lassen und sagte „Nein“. Dann war sie nicht mehr ansprechbar. Als ehemaliger Rettungsschwimmer wusste Peter Elsner sofort, was zu tun ist. Er griff seiner Frau unter die Arme, versuchte, ihren Puls zu fühlen: „Da war aber kein Puls mehr. Sie war faktisch tot.“ Er rief den Notarzt an. Drei bis vier Minuten später traf der Rettungswagen ein. Die Patientin musste reanimiert und intubiert werden. Gabi Elsner lag im künstlichen Koma, als sie im Krankenhaus eintraf.
Bestätigung der Diagnose: Beidseitige Lungenembolie

Ihr Blutdruck lag bei 80 zu 40. Nach einem EKG und Ultraschall am Herzen lag der Verdacht einer Lungenembolie schnell nahe. Dabei verstopft ein Blutgerinnsel die Blutgefäße des Atmungsorgans. Die Lunge wird schlechter durchblutet. Infolgedessen gelangt weniger Sauerstoff in die Blutlaufbahn: „Es ist eine der Erkrankungen, die zu einem plötzlichen Kreislaufstillstand führen“, erklärt Dr. Ulrich Böck, Leitender Oberarzt der Kardiologie und Internistischen Intensivmedizin sowie Leiter der Intensivstation im Marien-Hospital Marl. Im CT, der Computertomografie bestätigte sich die Verdachtsdiagnose: „Eine beidseitige Lungenembolie“, wie Dr. Rainer Wennemann, ebenfalls Leitender Oberarzt der Abteilung sagt.
Lungenembolie als dritthäufigste Todesursache
„Nach Herzinfarkten und Schlaganfällen ist die Lungenembolie die dritthäufigste Todesursache unter den Herzkreislauf-Erkrankungen. Wir bezeichnen die Lungenembolie als Chamäleon unter den Krankheiten.“ Die Symptome reichen von Luftnot über ein Druckgefühl in der Brust bis hin zu Kreislaufversagen. Zugleich können die Anzeichen aber auch auf andere Erkrankungen hinweisen. Im Zweifel sollten Patienten immer einen Arzt aufsuchen. Zudem kann es zu akuten Lungenproblemen bis hin zu lebenslanger Atemnot mit schweren Komplikationen kommen.
Neues Verfahren mit besserer Wirkung und weniger Blutungs-Risiko
Erstmalig entschieden sich die Kardiologen in Rücksprache mit Peter Elsner dafür, das neue Verfahren mit dem Ultraschall-Lyse-Katheter anzuwenden. „Der Vorteil dabei: Man kann das Thrombolytikum-Medikament selektiv über den Katheter in die Lungen-Arterie geben, genau dorthin, wo der Thrombus ist“, erklärt Dr. Ulrich Böck. „Durch die Ultraschallwellen, die dort appliziert werden, wird die Wirkung des Medikaments verstärkt.“ Die Behandlung sah bislang immer eine Thrombolyse-Therapie vor, in der das Medikament in deutlich höherer Dosis in eine Vene gespritzt und auf den ganzen Körper übertragen wird. „Hierbei gibt es nur einen Nachteil: Bei einem Prozent kann es zu einer schweren Blutungsrate, wie zum Beispiel einer Hirnblutung kommen“, erläutert Dr. Rainer Wennemann. Das Blutungs-Risiko sei mit dem neuen Verfahren aufgrund der deutlich geringeren Dosis des Medikamentes und der Behandlung mittels Ultraschallwellen wesentlich geringer: „Man braucht man nur ein Zehntel der Dosis, wenn man es sechs bis neun Stunden auf der Intensivstation kontinuierlich appliziert.“
Neue Technik rettete bereits drei Patienten im Marien-Hospital das Leben
Beim Einsatz komme es aber auch immer darauf an, wie alt das Gerinnsel sei und ob es verschleppt, wurde: „Wenn es ein altes Gerinnsel gewesen wäre, hätte man es nicht so auflösen können“ – da der Thrombus aber noch frisch war, lohnte sich das neue Verfahren. Sonst ergebe auch das alte Verfahren oft noch Sinn. „Die Patienten, die reanimationspflichtig bleiben, sind keine geeigneten Kandidaten, weil das Medikament dann sehr schnell appliziert werden muss.“ Die Ärzte entscheiden individuell, wann der Ultraschall-Lyse-Katheter eingesetzt wird. Drei Patienten konnte dank der neuen Technik im Marien-Hospital Marl schon das Leben gerettet werden.
Vertrauen in Experten am Marler Krankenhaus
„Ich habe das Vertrauen in die Experten“, meint Peter Elsner und war schnell überzeugt, dass die Ärzte alles nur erdenklich Mögliche tun, um seiner Frau zu helfen. „Sie hätte es ohne den Einsatz des Ultraschall-Lyse-Katheters unter Umständen nicht überlebt“, gibt Dr. Ulrich Böck zu bedenken und freut sich, dass er und sein Team der Patientin das Leben gerettet haben. Denn oft werde eine Lungenembolie auch nicht sofort erkannt, bei vielen entstehe ein Gerinnsel in den Beinen. Zwei Jahre ist die neue Verfahrenstechnik mittlerweile auf dem Markt. Noch gibt es verhältnismäßig wenig Studien, daher hatten sich die Ärzte im Vorfeld längere Zeit damit vertraut gemacht.
Patientin als Glückskind des Monats
Gabi Elsner kam auf die Intensivstation. Ihr Mann war so oft und solange es ging bei ihr. Zwischendurch kam es zu weiteren Komplikationen. Unter anderem versagte ihre Niere durch den niedrigen Kreislauf, weil diese nicht durchblutet war. Gabi Elsner brauchte eine Dialyse und bekam noch eine Lungenentzündung, was gar nicht ungewöhnlich sei. Doch ihr Körper kämpfte weiter. Für die Akuterkrankung lief alles optimal. Nach acht Tagen erwachte sie aus dem künstlichen Koma. Nach fast einem Monat war sie am 5. April schon fast wieder selbstständig. „Mr. Spock würde sagen – ,faszinierend‘“, sagt Elsner. Gabi Elsner war das Glückskind des Monats, denn bei ihr kamen alle glücklichen Umstände zusammen. „Gerade für so einen schweren Verlauf hat sie sich erstaunlich gut erholt“, so Dr. Wennemann.
„Wir fühlten uns im Marien-Hospital sehr gut aufgehoben“, betont Peter Elsner und lobt den Einsatz der Mitarbeiter, die abteilungsübergreifend Hand in Hand zusammenarbeiteten. Gabi Elsner fühlt sich ein paar Monate danach oft noch kraftlos. Zwei Reha-Aufenthalte liegen hinter ihr und sie geht regelmäßig zum Reha-Sport. Sie ist den Ärzten dankbar. Neben der medizinischen Behandlung gaben ihr aber auch ihre Familie mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern die nötige Kraft: „Ich freue mich jeden Morgen, wenn ich aufstehen darf“, sagt sie.