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Qualvolles Warten der Patienten vor der OP

Was Krankenhäuser besser machen könnten

Universität Witten/Herdecke am 14. Februar 2018

German Quernheim
Dr- German Quernheim

German Quernheim bietet mit Erkenntnissen aus seiner Doktorarbeit Konzepte, wie Wartezeiten weniger belastend gestaltet werden.

Mehr Information, mehr Transparenz, mehr Verpflegung: Das sind kurz gefasst die drei wichtigsten Schritte, mit denen Krankenhäuser ihre Wartezeiten vor operativen Eingriffen für Patienten angenehmer gestalten könnten. Dr. German Quernheim hat dieses in seiner Promotion im Fach Pflegewissenschaft an der Universität Witten/Herdecke herausgefunden. „Es kommt regelmäßig zu Ausbrüchen von Wut oder Verzweiflung bei wartenden Patienten, die man aber fast immer vermeiden könnte“, so Quernheim.

Er hat in seiner Untersuchung erwachsene Patienten in zehn Kliniken aus vier Bundesländern intensiv befragt, die bei einer zurückliegenden Operation zwischen 30 Minuten und 120 Stunden auf den Eingriff warten mussten. Dabei ging es jeweils um geplante Operationen z.B. an Knie oder Hüfte. Quernheim sprach z. B. mit einer 80-jährigen Patientin, deren OP-Termin ihre Ärzte an zwei aufeinander folgenden Tagen absagten. Die Frau wurde jeweils seit dem Vorabend nüchtern gehalten, wartete bis zum Abend und erhielt nach der OP-Absage ein Glas Tee und ein Käsebrot. Erst am dritten Tag fand sich nachmittags eine Pflegerin, die die Situation erkannte und handelte: Ein Flüssigkeitstropf verhinderte den Kreislaufzusammenbruch. „Sicher ein Extremfall, aber er zeigt, dass in Krankenhäusern der geregelte Ablauf oft wichtiger ist als die pflegerisch korrekte Versorgung für den Patienten“, kritisiert Quernheim. Er fordert, dass die Gesundheitsberufe vom Krisenmanagement bei Fluggesellschaften oder Hotels lernen sollten. Dabei weiß der erfahrene Krankenpfleger natürlich, dass es auch an einem noch so gut geplanten OP-Tag durch Notfälle zu Verzögerungen kommen kann und die vorgesehenen Durchschnittszeiten nicht immer einzuhalten sind. Deshalb liefert er konstruktive Vorschläge, wie Krankenhäuser die Situation für den Patienten besser gestalten können:

Mehr Information und Ablenkung

Patienten sind vor einer Operation oft in einer sehr belastenden Situation. Sie haben Angst, hoffen auf Linderung ihrer Beschwerden und erleben so häufig eine emotionale Achterbahnfahrt. Sobald Wartende einer Beschäftigung nachgehen und abgelenkt sind, warten sie nicht mehr. Viele der Patienten vermissten während des langen Wartens ihre Angehörigen. Aber aufgrund des OP-Tages haben diese Patienten ihren Nächsten empfohlen, sie gar nicht erst zu besuchen. Dieses bereuen sie mitunter. Eine Stand-by-Vereinbarung mit der Familie z.B.: „Wenn ich um 14 Uhr noch warte, kommt bitte!“ kann helfen. „Auch Bewegungs- oder Ablenkungsprogramme im Rahmen der OP-Vorbereitung lassen Wartezeiten gar nicht erst entstehen, lindern sorgenvolle Gedanken und entspannen die Situation“, erläutert Quernheim den ersten Vorschlag. Oder allgemeiner gefasst: Patienten, die mehr über die geplanten Abläufe wissen, reagieren gelassener auf Verschiebungen.

Mehr Transparenz

Oft warten Patienten auf der Station auf ihren OP-Termin, die Mitarbeiter der Pflege bekommen selbst aber zumeist keine geregelten Informationen über den Stand der Situation im OP. Pflegende können daher die wartenden Patienten nicht aufklären. „Hier gibt es recht einfache IT-Lösungen, mit denen die Stationsmitarbeiter auf dem Laufenden gehalten werden und so auf die Wartenden zugehen könnten und ihnen mitteilen, dass ihr Termin sich um eine gewisse Zeit verschiebt“, beschreibt Quernheim die Lösung mit technischer Hilfe. „Patienten, die eine konkrete voraussichtliche Wartezeit genannt bekommen, sind eher bereit, das zu akzeptieren als solche, die im Unklaren gelassen werden.“

Mehr Verpflegung

Die moderne Forschung hat längst gezeigt, dass man etwa bei Hüft- oder Knieoperationen bis zwei Stunden vorher trinken und bis sechs Stunden vorher essen sollte. Dennoch lassen viele Krankenhäuser alle OP-Patienten seit dem Vorabend nüchtern. „Hunger und Durst bringen auch den geduldigsten Patienten in die Krise und sind oft der Auslöser für eskalierende Situationen. Mehr auf den Einzelfall zu schauen und die Nüchternzeiten den Notwendigkeiten anzupassen, hilft sehr viel“, schlägt Quernheim vor. „Und wenn dann die OP an dem Tag doch ganz ausfällt, weil der gemachte Plan nicht einzuhalten war, dann sind einige Häuser schon dazu übergegangen, Gutscheine für die Cafeteria im Haus zu verteilen, damit die Patienten wenigstens eine kleine Entschädigung erhalten.“

Um das Warten vor einer Operation so (v)erträglich wie möglich zu gestalten, sollten Kliniken genauer über die voraussichtliche Wartezeit informieren, flexibel Besuch zulassen, den Pflegenden im direkten Kontakt mit den Patienten mehr aktuelle Informationen aus dem OP-Bereich zukommen lassen und auch die Nüchternzeiten gemäß den zeitgemäßen Anästhesie- Empfehlungen anpassen.

Wenn Wartende von Beginn an rechtzeitig informiert werden, wenn sie mit eigenen Augen beispielweise sehen, wie Rettungswagen weitere Patienten einliefern, wenn sie die genannten Verzögerungsgründe verstehen und nachvollziehen können – bringen sie in den meisten Fällen Verständnis auf. Dieses bedarf eines professionellen Informationsmanagements nicht nur zwischen Patient und Klinik, sondern auch zwischen OP und Stationen sowie zwischen den Ärzten und Pflegenden.

Das Dissertations-Buch „Warten und Durchhalten: Das Patientenerleben bei OP-Verzögerung und –Verschiebung“ (216 S.) von German Quernheim ist 2013 im Hogrefe Verlag, Bern erschienen. ISBN 978-3456853079.

Das erweiterte Praxishandbuch: „Warten, aber richtig“ (320 S.) enthält zum Wartemanagement viele Anregungen für Kliniken, Notaufnahmen und Arztpraxen. Es ist 2017 im Hogrefe Verlag erschienen ISBN: 978-3456855165

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