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Sehfunktionen des Gehirns wiederherstellen

Implantate sollen direkt die Hirnareale ansteuern, die für die Verarbeitung visueller Informationen zuständig sind.

Ruhr-Universität Bochum am 23. November 2020

Eine Miniaturkamera, die visuelle Informationen sammelt, welche in geeignete Signalmuster übersetzt an Implantate im Gehirn übertragen werden, sodass Blinde wieder Seheindrücke haben: Das ist die Vision, die das Konsortium des Projekts „I See“ antreibt. Das Forschungsteam aus Deutschland, der Schweiz und Kanada, dem der Neurowissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum (RUB), Privatdozent Dr. Dirk Jancke, angehört, wird von der Europäischen Kommission mit rund 900.000 Euro gefördert.

Die Sprache des Gehirns sprechen lernen

Blinden das Sehen wieder möglich machen soll das EU-Projekt.
© RUB, Marquard

Die geplanten Implantate sollen spezifisch im Gehirn Areale ansprechen, welche für die Verarbeitung von visuellen Informationen zuständig sind. „Um solche Brain-Computer-Interfaces zu entwickeln, müssen wir lernen, mit mikro-elektrischen Mitteln die Sprache des Gehirns zu sprechen“, sagt Dirk Jancke. Ziel des Projekts ist es, technische Hilfsmittel bereitzustellen, um erblindeten Patienten visuelle Informationen zugänglich zu machen, die sie in alltäglichen Lebenssituationen nutzen können. „Außerdem gewinnen wir wichtige Grundlagenkenntnisse für Diagnostik und Behandlung von neurophysiologischen Krankheitsbildern des Gehirns“, erklärt Dirk Jancke.

Für den Gehörsinn ist der Einsatz von Cochlea-Implantaten bereits medizinischer Standard. Für den Sehsinn sind solche peripheren Prothesen nur eingeschränkt möglich. Während bei Erkrankungen der Netzhaut wie etwa Retinopathia pigmentosa elektronische Netzhautimplantate genutzt werden können, sind Hilfen für zentrale Erkrankungen des Sehsystems, wie sie zum Beispiel durch Diabetes mellitus verursacht werden, nur mittels direkter Ansteuerung von Gehirnaktivität möglich.

Vier Millionen Menschen weltweit betroffen

Störungen von Gehirnfunktionen gehen mit massiven Einschränkungen der Lebensqualität einher. Der Verlust der Sehfähigkeit ist in zunehmend visuell gesteuerten Welten besonders tragisch. Nach Schätzungen des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands leben etwa 150.000 blinde und rund 500.000 sehbehinderte Menschen in Deutschland, weltweit sind etwa vier Millionen Menschen betroffen.

Kooperationspartner

Udo Ernst (Koordinator) und David Rotermund, Computational Neurophysics, Institute for Theoretical Physics, University of Bremen
Bogdan Draganski, Laboratory for Research in Neuroimaging, Department of Clinical Neurosciences, Centre Hospitalier Universitaire Vaudois und University of Lausanne, Lausanne, Schweiz
Michael Herzog, Laboratory of Psychophysics, École Polytechnique Fédérale Lausanne, Lausanne, Schweiz
Dirk Jancke, Optical Imaging Group, Institut für Neuroinformatik, Ruhr-Universität Bochum
Christopher Pack, Department of Neurology and Neurosurgery and Montréal Neurological Institute, McGill University, Montréal, Kanada

Förderung

Das Projekt wird gefördert im 7. Forschungsrahmenprogramm. Darin unterstützt die EU die Etablierung thematisch fokussierter Netzwerke mit Vertretern aus der Forschungsförderung und -programmgestaltung in Europa (European Research Area Networks, ERA-NET). Ein wesentliches Ziel ist die Durchführung gemeinsam getragener europäischer Fördermaßnahmen im Bereich der krankheitsorientierten Neurowissenschaften. 21 Förderorganisationen aus 16 Europäischen Mitgliedstaaten, Israel als EU-Assoziiertem Staat und Kanada nehmen an Neuron II teil.

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