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Sind Schilddrüsenprobleme ein Frauenproblem?

Experten aus dem St. Elisabeth-Hospital tragen Daten und Fakten zu Schilddrüsenpatienten zusammen

Stiftungsklinikum PROSELIS gGmbH am 14. April 2023

Unsere Schilddrüse wird häufig unterschätzt. Dabei nimmt sie mit der Bildung von Hormonen Einfluss auf fast alle Organe. Sie entscheidet unter anderem über die Herzfrequenz, den Blutdruck, die Weitung der Gefäße oder über die Verdauung.  „Deswegen sollten wir diesem Organ auch viel Aufmerksamkeit widmen“, erklärt die leitende Oberärztin der Allgemein- und Viszeralchirurgie im St. Elisabeth-Hospital Dr. med. Kirsten Kimm. Die Abteilung unter der Leitung von Chefarzt Prof. Dr. Dr. med. Matthias Heuer operiert im St. Elisabeth-Hospital pro Jahr mehr als 100 Patienten an der Schilddrüse. Seit vielen Jahren werden alle Daten rund um die Behandlung in das DGAV-StuDoQ-Register eingetragen. Das ist das Studien-, Dokumentations- und Qualitätszentrum der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV). Die Daten sind für eine qualitative Auswertung der Arbeit vor Ort wichtig und ermöglichen den Vergleich mit anderen Krankenhäusern. Einige Daten verraten uns aber auch einfach ein paar Dinge über die Schilddrüsenpatienten.

„Unsere Patienten waren im Jahr 2021 zwischen 18 und 84 Jahren, was zeigt, dass Erwachsene jeden Alters betroffen sind. 80% von unseren Patienten sind weiblich. Anscheinend spielt das doppelte X-Chromosom hier eine Rolle. Auch haben Frauen eine stärkere Immunantwort, die eine Autoimmunreaktion auslösen kann. Bei der Schilddrüse kennen wir den Morbus Basedow und die Hashimotothyreoiditis. Erstere geht mit einer Überfunktion und häufig auch mit Augenproblemen einher. Von dieser Krankheit waren 6% der operierten Patienten in Herten betroffen. Ein Grund, warum bei Frauen schneller auf eine Schilddrüsenproblematik geschlossen wird ist aber auch, dass eine vergrößerte Schilddrüse muskulär bedingt beim weiblichen Geschlecht schneller auffällt. Bei den Männern wächst sie eher nach innen. In unseren Operationen sehen wir einige Fälle, bei denen die Schilddrüse bis hinter das Brustbein reicht“, so Dr. med. Kirsten Kimm.

Über Bluttests, Ultraschall und spezielle bildgebende Verfahren stellen die Ärzte fest, was der Schilddrüse genau fehlt, ob es sich zum Beispiel um eine Über- oder Unterfunktion handelt. Eine Ultraschalluntersuchung ermöglicht den Nachweis von Knoten und auch eine erste Einschätzung hinsichtlich ihrer Gut- oder Bösartigkeit.

Die Szintigraphie, einer nuklearmedizinischen Untersuchung, liefert in solchen Fällen zusätzliche Informationen. Man unterscheidet damit zwischen ‚heißen Knoten‘ und ‚kalten Knoten‘, die in seltenen Fällen bösartig sein bzw. werden können. Im St. Elisabeth-Hospital hatten in den vergangenen drei Jahren 7% der operierten Patienten einen bösartigen Befund, der in allen Fällen erfolgreich therapiert werden konnte. „2023 wurde bereits bei 3 Patienten Schilddrüsenkrebs nachgewiesen und vollständig durch eine Operation entfernt. Ich bin froh, dass diese Patienten unsere Sprechstunde aufgesucht haben.“ so Frau Dr. Kimm.

Je nach Befund können die weiteren Therapiemöglichkeiten abgestimmt werden „Eine Operation ist nicht immer notwendig, aber zum Ausschluss einer Bösartigkeit oder in Fällen, in denen die Schilddrüse stark vergrößert ist, ist eine Operation angezeigt und dann raten wir auch dazu. Das kann man auch an unseren eingepflegten Daten erkennen. Gründe für eine Operation waren bei unseren Patienten ein Ausschluss der Bösartigkeit, Schluckbeschwerden, ein Klossgefühl im Hals oder Luftnot und eine Schilddrüsenüberfunktion“, erklärt Assistenzarzt Dr. med. Sven Saleik. Er operiert gemeinsam mit Oberärztin Kirsten Kimm und dem Chefarzt fast alle Schilddrüsen im Haus.

Im St. Elisabeth-Hospital Herten werden die modernsten Operationsmethoden angewendet. Dabei wird jede Operation individuell an das Krankheitsbild des Patienten angepasst. „Wir können die Operation auch mit einem minimalinvasiven videoassistierten Verfahren (MIVAT) durchführen – hier muss aber sehr genau und individuell geschaut werden, welche Knoten dafür infrage kommen“, erklärt Dr. med. Saleik. „Ansonsten ist die konventionelle Methode schon eine der sichersten und erfolgreichsten, weswegen wir Sie auch bei den meisten der Operationen angewendet haben. Bei bösartigen Schilddrüsenerkrankungen muss das Organ oft vollständig entfernt werden. Daher führen wir meistens eine sog. Schnellschnittuntersuchung durch. Der Pathologe teilt uns noch während der OP sein Untersuchungsergebnis mit. Somit kann man direkt entsprechend reagieren.“

„Auch mit der konventionellen Methode benötigen wir nur sehr kleine Schnitte, die kosmetisch auf den ersten Blick gar nicht auffallen. Aber der Schnitt hilft dabei, sauber und erfolgreich operieren zu können. In anderen Ländern, zum Beispiel in Japan, will man auf die kleine Narbe am Hals unbedingt verzichten und operiert teilweise über die Achselhöhle, über den Mund oder die Brustwarze. Allerdings mit extrem hohen Gefahren wie Blutungen, Entzündungen oder irreparablen Nervenschäden“, ergänzt Oberärztin Kirsten Kimm.

Da direkt neben der Schilddrüse beidseits ein Nerv verläuft, der die Stimmbandfunktion beeinflusst, ist es wichtig, dass ein erfahrener Chirurg die Operation durchführt. Denn eine Verletzung des Nerven kann eine Stimmbandlähmung hervorrufen, die nach der Operation zu Heiserkeit und/oder Luftnot führen kann. In Herten wird deswegen die Funktion der Stimmbandnerven während fast allen Operationen (knapp 100%) mittels Neuromonitoring überwacht und so das Risiko deutlich gemindert. Das System warnt den Operateur optisch und akustisch, sobald ein Nerv gefährdet ist. Sollte es doch einmal zu einer Schädigung kommen „arbeiten wir intensiv mit den Kollegen aus dem Hals-Nasen-Ohren-Bereich am Standort Prosper-Hospital in Recklinghausen zusammen“, erklärt Dr. med. Kirsten Kimm, die seit vielen Jahren Erfahrung in der Schilddrüsenchirurgie hat. „Allerdings lag die Zahl der Patienten mit vorübergehender oder dauerhafter Stimmbandnervenlähmung in den letzten Jahren bei uns in Herten unter einem Prozent. Das ist besser als der deutsche Durchschnitt.“

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