Fast 200 Teilnehmende bei After Work Lecture zum Thema „Autismus interdisziplinär“
Ziel der Veranstaltung an der Hochschule für Gesundheit war es, insbesondere Angehörige von Gesundheitsfachberufen auf das Thema aufmerksam zu machen und für den Umgang mit autistischen Menschen zu sensibilisieren.
Fast 200 Interessierte waren persönlich erschienen oder hatten sich digital zugeschaltet zur After Work Lecture an der Hochschule für Gesundheit (HS Gesundheit) in Bochum zum Thema „Autismus interdisziplinär“. Ziel der Veranstaltung war es, insbesondere Akteure im Gesundheitswesen für Autismus zu sensibilisieren. Organisiert wurde die Veranstaltung von den Studiengängen Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie in Zusammenarbeit mit dem Autismus-Zentrum Bochum. Referent*innen waren die Leiterin des Autismus-Therapie-Zentrums Bochum der Familien- und Krankenpflege Teresa Jünner und Meike Misia, freiberufliche Autismus-Berater*in und selbst Autistin.
„Wir freuen uns über das große Interesse auch über die Hochschule hinaus“, sagte Prof.in Dr.in Renée Oltman, die die Teilnehmenden begrüßte. Neben Studierenden, Kooperationspartner*innen und Mitarbeitenden der Hochschule waren auch Teilnehmer*innen aus therapeutischen Praxen, Schulen, Fördereinrichtungen und Eltern von autistischen Kindern anwesend.
Besonders die Innensicht, die vorgestellt wurde von Meike Misia, half den Zuhörer*innen, die Perspektive zu wechseln. Sie schilderte, in welchen Bereichen autistische Menschen im Alltag auf Barrieren stoßen, welche Faktoren eine erfolgreiche Kommunikation erschweren und welche Krankheiten bei Betroffenen oftmals zusätzlich auftreten (Komorbiditäten). „Menschen, die von der gedachten Normalität abweichen, haben mehr Probleme“, analysierte sie. Dies wurde insbesondere bei einem Blick auf die Komorbiditäten deutlich. So sind beispielsweise autistische Personen häufiger von ADHS oder Diagnosen wie Depressionen oder Angststörungen betroffen.
Meike Misia machte deutlich, wie defizitorientiert der Blick auf autistische Personen ist und sprach sich für Neurodiversität aus. „Wir müssen akzeptieren, dass die Gehirne unterschiedlich sind und funktionieren, genau wie sich Haar- und Augenfarbe der Menschen unterscheiden.“ Insbesondere der sehr persönliche Einblick in die alltäglichen Herausforderungen beeindruckte die Zuhörer*innen, so meldete eine Teilnehmerin zurück: „Vielen Dank für diesen fachlichen und gleichzeitig persönlichen Einblick. Das ist nicht nur hilfreich für den Umgang mit den Klient*innen in der Ergotherapie, sondern generell.“
Zum Ende hin leiteten die Referent*innen Aufträge für die berufliche Praxis ab. Teresa Jünner betonte: „Nicht nur bei der Behandlung von Kindern ist es wichtig, Sicherheit zu geben, eine sichere Bindungserfahrung aufzubauen und eine Vorhersehbarkeit der Behandlung zu schaffen.“ So sei es für den Behandlungskontext wichtig, Körperkontakt vorher anzukündigen, ebenso wie zum Beispiel einen Wechsel der Bezugsperson. „Am Wichtigsten ist es aber, ernst zu nehmen, was die Patient*innen sagen.“ Letztlich lasse sich das Verhalten von Autist*innen, auch im medizinischen oder gesundheitlichen Kontext, so beschreiben: „Wir meinen, was wir sagen. Wir glauben, was wir hören.“ Dies gelte es, in der Kommunikation zu bedenken, bekräftigte Meike Misia.
Im Anschluss an den Vortrag zeigten viele Fragen und das Feedback der Teilnehmer*innen, dass weiterer Bedarf besteht, sich mit dem Thema Autismus auseinanderzusetzen. „Gerne werden wir die Zusammenarbeit zwischen der Hochschule für Gesundheit und dem Autismus-Zentrum der Familien- und Krankenpflege Bochum fortsetzen und gemeinsam überlegen, wie wir weitere Angebote entwickeln können“, sagte Prof.in Dr.in Reneé Oltman im Anschluss an die Veranstaltung.