Medizinische Einrichtungen etablieren Strukturen, um Kinder vor Vernachlässigung zu schützen
Innovationsfondsprojekt „MeKidS.best – Medizinischer Kinderschutz im Ruhrgebiet“ erfolgreich beendet. NRW-Krankenkassen sichern Finanzierung bis Mitte 2024.
Seit 2019 entwickelten 21 Partnerinnen und Partner aus dem Gesundheits- und Sozialwesen im Ruhrgebiet Konzepte, um Kinder und Jugendliche besser vor Vernachlässigung und Gewalt zu schützen, und setzten diese anschließend in ausgewählten medizinischen Einrichtungen um. Das Projekt „MeKidS.best – Medizinischer Kinderschutz im Ruhrgebiet“ wurde über vier Jahre vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gefördert und endete gestern mit einem Abschlusskongress, auf dem erste Ergebnisse vorgestellt wurden. Um sicherzustellen, dass die aufgebauten Strukturen nachhaltig verstetigt werden können, setzen die nordrhein-westfälischen Krankenkassen die weitere Finanzierung der Maßnahmen zunächst bis Mitte 2024 fort.
Das Ziel von „MeKidS.best“ war es, im Gesundheitswesen verlässliche Strukturen für einen besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen aufzubauen. Seit 2019 wurden standardisierte Abläufe und Handlungsempfehlungen erarbeitet und umgesetzt. Diese erlauben es Ärztinnen und Ärzten sowie medizinischem Personal, Kindeswohlgefährdung zu erkennen und rechtssicher zu dokumentieren. Informationen können einfacher an die Jugendämter weitergegeben werden und die Kooperation mit den Jugendämtern wird erleichtert. Nach dem Projektende werden die Ergebnisse vom Innovationsausschuss des G-BA bewertet. Der Ausschuss beurteilt, ob diese Strukturen deutschlandweit in die Gesundheitsversorgung integriert werden sollen, um die Situation von gefährdeten Kindern und Jugendlichen zu verbessern.
Viele nordrhein-westfälische Krankenkassen finanzieren vorerst bis Mitte 2024 die Fortführung der Maßnahmen in den beteiligten neun MeKidS-Kliniken im Rahmen eines eigenen Vertrages – „ProKidS“ -, da sie nach dem Ende der Projektlaufzeit nicht mehr vom Innovationsfonds des G-BA gefördert werden. Dazu gehören unter anderem die Erstversorgung in den Kinderambulanzen, die bei einem Verdacht auf Missbrauch oder Vernachlässigung von einem interprofessionellen Team aus Ärztinnen, Sozialarbeitern und Psychologen durchgeführt wird. Darüber hinaus erfolgen eine ausführliche ärztliche Diagnosestellung und Gefährdungseinschätzung sowie die Weiterleitung von Informationen an die zuständigen Stellen. Der neue Versorgungsvertrag, der die weitere Finanzierung regelt, wurde von der AOK Rheinland/Hamburg, der DAK-Gesundheit und der Techniker Krankenkasse entwickelt. Dem Vertrag beigetreten sind die AOK NordWest, die BARMER, mehrere BKKen, die Bergische Krankenkasse, die BIG, die Heimat Krankenkasse, die HEK, mehrere IKKen, die KKH und die Knappschaft.
Bedarf für einrichtungsübergreifende Versorgung gefährdeter Kinder
Auf dem gestrigen Kongress mit über 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern präsentierten Projektverantwortliche, was sich durch die Maßnahmen von MeKidS.best verändert hat und welche weiteren Bedarfe Akteurinnen und Akteure aus Kliniken, Praxen und Jugendämtern haben. Im Mittelpunkt standen dabei unter anderem die stärkere Kooperation zwischen Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens sowie die praxisorientierte Verstetigung geschaffener Strukturen. Abschließend diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Krankenkassen mit Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann über Möglichkeiten, wie die Versorgung im Kinderschutz flächendeckend verbessert werden kann. Erste Ergebnisse des Projekts MeKidS.best zeigen, dass sich die Qualität der Versorgung von vernachlässigten oder misshandelten Kindern und Jugendlichen durch die implementierten Standards signifikant verbessert hat. Der Bedarf eines strukturierten medizinischen Kinderschutzes ist hoch.
Handlungsleitfäden beschreiben Vorgehen in einem Verdachtsfall
Ein weiteres Ergebnis des vierjährigen Innovationsfondsprojektes sind Handlungsleitfäden. Sie helfen Ärztinnen und Ärzten sowie den Mitarbeitenden in Gesundheitseinrichtungen einzuschätzen, ob bei einem Kind oder Jugendlichen eine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Die Handlungsleitfäden geben beispielsweise Hilfestellungen zum Vorgehen in einem akuten Fall, zur korrekten Fotodokumentation von Verletzungen oder zur Frage, was zu tun ist, wenn ein Verdacht auf einen sexuellen Übergriff besteht. Die Informationen wurden in einem „Handbuch für die Implementierung von medizinischem Kinderschutz in Gesundheitseinrichtungen“ zusammengefasst, das erstmals auf dem Abschlusskongress präsentiert wurde.
Statements:
Matthias Mohrmann, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg: „Das Projekt MeKidS.best hat gezeigt, wie wir regionale Strukturen sinnvoll nutzen und Expertise vor Ort bündeln können, um das Ziel, die besonders vulnerable Gruppe der Kinder und Jugendlichen stärker vor Vernachlässigung und Gewalt zu schützen, gemeinsam zu erreichen.“
Klaus Overdiek, Leiter der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen der DAK-Gesundheit: „Der Schutz und die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sind eine unserer wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben. MeKidS.best ist ein Vorzeigeprojekt und zeigt einmal mehr, was bewegt werden kann, wenn alle Akteure eng zusammenarbeiten. Über das bereits bestehende Interesse an diesem Innovationsfondsprojekt und dessen Ergebnisse freue ich mich und hoffe, dass diese helfen können, bundesweit Kinder und Jugendliche bestmöglich zu unterstützen“.
Barbara Steffens, Leiterin der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen der Techniker Krankenkasse: „MeKidS.best ist ein wichtiges Projekt, das Standards für den medizinischen Kinderschutz geschaffen hat. Ich würde mich freuen, wenn die Ergebnisse des Modellprojekts über die Region Ruhrgebiet hinaus deutschlandweit dazu beitragen könnten, Gewalt gegen Kinder frühzeitig zu erkennen und die notwendigen Hilfen einzuleiten.“