Länger gesund leben mit einer natürlichen Substanz aus Pilzen?
Forschende aus dem Ruhrgebiet entschlüsseln molekularen Wirkmechanismus von Ergothionein
Nicht nur möglichst lange, sondern währenddessen vor allem ohne gesundheitliche Einschränkungen leben – das ist der Wunsch vieler Menschen. Doch mit steigendem Alter steigt auch das Risiko für altersbedingte Erkrankungen wie etwa Alzheimer oder Sarkopenie (Abbau von Muskelmasse und Muskelkraft im Alter). In der Alternsforschung rückt daher vermehrt die Zeit, in der eine Person innerhalb ihrer Lebensdauer gesund ist, in den Fokus. Dass die natürliche Substanz Ergothionein diese Gesundheitsspanne („Health Span“) alternder Tiere verbessert, zeigt nun unter Federführung des Leibniz-Instituts für Analytische Wissenschaften (ISAS) ein Team aus Forschenden der Universität Belgrad (Serbien), der Universität Cambridge (UK) und der Universität Heidelberg. Weitere Partner sind Forschende in Berlin, München, Frankreich, Italien und Spanien. Die Ergebnisse und den zugrundeliegenden molekularen Mechanismus beschreibt das internationale Team im Fachjournal Cell Metabolism.
Ergothionein ist eine natürliche Verbindung, die in bestimmten Pilzen wie Shiitake- oder Austernpilze oder fermentierten Lebensmitteln vorkommt. Die Aminosäure wird häufig als Nahrungsergänzungsmittel oder als Bestandteil von Kosmetik mit „Anti-Aging“-Effekten vermarktet. Auch wenn es Hinweise auf die gesundheitsfördernden und zellprotektiven Eigenschaften von Ergothionein gibt, war der Wirkmechanismus bisher unbekannt. „Unsere Analysen schaffen nun endlich Klarheit über den Mechanismus und zeigen darüber hinaus, dass Ergothionein ein vielversprechendes therapeutisches Potenzial zur Prävention altersbedingter Erkrankungen birgt“, berichtet Dr. habil. Miloš Filipović, korrespondierender Autor und Leiter der Forschungsgruppe ERC-Sulfaging am ISAS.
Positive Auswirkungen auf Beweglichkeit, Stressresistenz und Ausdauer
Für die Publikation haben die Forschenden mehrere Tiere untersucht, darunter den Modellorganismus Caenorhabditis elegans (Fadenwurm). Die Gruppe am ISAS beobachtete, dass eine Behandlung mit Ergothionein ab dem jungen Erwachsenenalter nicht nur die Lebensdauer der Würmer verlängerte, sondern auch die Beweglichkeit erhöhte, die Stressresistenz steigerte und altersbedingte Biomarker reduzierte. „Je älter die Tiere wurden, desto signifikanter war der Kontrast zur Kontrollgruppe. Außerdem konnten wir keine unerwünschten Nebenwirkungen beobachten – andere Studien übrigens auch nicht“, sagt Dr. Dunja Petrovic, aus deren Promotionsprojekt am ISAS die Publikation entstanden ist. Diese positiven Effekte konnten auch die Projektpartner der Universität Belgrad bei Säugetieren beobachten. Sie behandelten drei Wochen lang sechs neun Monate alte Ratten mit einer täglichen Dosis von etwa 10 Milligramm Ergothionein – eine Menge, die etwa viereinhalb Gramm getrockneten Austernpilzen entspricht. Im Vergleich zur Kontrollgruppe verbesserte sich nicht nur die Ausdauer der Ratten, sondern es erhöhte sich auch die Muskelmasse, die Vaskularisierung (Neubildung kleiner Blutgefäße) des Muskelgewebes sowie die Anzahl der Muskelstammzellen. Das könnte die Substanz beispielsweise im Kontext der Prävention von Sarkopenie interessant machen.