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Erweiterte Realität: Experten therapieren Phantomschmerz

Neu in der Klinik für Schmerz- und Palliativmedizin

Klinikum Dortmund gGmbH am 16. Oktober 2018

Dr. Carsten Meyer, Direktor der Klinik für Schmerz- und Palliativmedizin, mit einem Tablet, auf dem die App läuft.

Auf dem Display des iPads ist alles wie damals: Der Patient hat beide Beine und macht mit ihnen Übungen, die das Programm auf dem Gerät vorgibt. Tatsächlich aber leidet der Patient seit seinem Unfall und der Amputation seines rechten Beines unter so genannten Phantomschmerzen. Damit sind Beschwerden in nicht mehr vorhandenen Körperteilen gemeint. Mit dem digitalen Nachsorge-Konzept „Routine“, das vom Patienten als Tablet-App mobil und damit orts- sowie zeitunabhängig genutzt werden kann, geht die Klinik für Schmerz- und Palliativmedizin im Klinikum Dortmund jetzt seit einigen Wochen neue Wege zur Linderung derartiger Schmerzen.

Das Konzept basiert auf dem Prinzip der Spiegeltherapie, die schon seit Jahren erfolgreich gegen Phantomschmerzen angewendet wird – aber eben bislang doch recht analog: Während dieser Therapie sitzt der Patient nämlich vor einem parallel zu seiner Körpermitte angeordneten Spiegel, der den direkten Blick auf die amputierte Extremität verhindert. Für den Patienten entsteht beim Blick in den Spiegel also der Eindruck von z.B. zwei intakten Beinen oder Armen. Mit dieser vermeintlich „kompletten“ Wahrnehmung macht der Patient dann Übungen. „Auf diese Weise geben wir dem Gehirn Gelegenheit, den Verlust der Gliedmaßen quasi zu verarbeiten. Nach einer gewissen Zeit dieser Anwendung kann der Pati-ent die Schmerzen besser kontrollieren, auch wenn Schmerzmittel nicht mehr helfen“, sagt Dr. Carsten Meyer, Direktor der Klinik für Schmerz- und Palliativme-dizin im Klinikum Dortmund.

Die Kamera im Tablet spiegelt das vorhandene Bein

Doch nun der wesentliche Unterschied, den die Nachsorge-App bietet: Bei „Rou-tine“ gibt es nämlich statt Spiegel als Medium ein Tablet (z.B. ein iPad), das mit seiner Kamera-Funktion das vorhandene Bein auf dem Display spiegelt und so die Realität digital „erweitert“ („Augmented Reality“). „Der Patient kann seine The-rapie-Übungen also jederzeit und überall machen, er braucht dazu nur sein Tab-let“, erklärt Dr. Meyer. Im Übungslevel 1 von „Routine“ können einfache motori-sche Übungen per Audio-Anleitung absolviert werden. In Übungslevel 2 projiziert die App dann virtuelle Objekte auf den Bildschirm, um komplexere Bewegungs-abläufe zu trainieren. „Studien haben ergeben, dass Menschen mit Phantom-schmerzen Schwierigkeiten haben, ihre linke und rechte Körperhälfte zu unter-scheiden. Die App bietet deshalb auch Übungen an, in denen die Patienten rech-te und linke Körperteile in unterschiedlichen Positionen und Situationen sehen. Sie müssen dann entscheiden, um welche Seite es sich handelt“, erklärt Dr. Meyer.

Digitales Schmerztagebuch protokolliert die Therapie

Mit dem Programm lassen sich also u.a. individuelle Übungsprogramme erstellen und sogar Trainingsfortschritte dokumentieren. „In einem digitalen Schmerztage-buch kann der Patient die Entwicklung seines Schmerzempfindens protokollieren und auch dem Therapeuten erlauben, auf diese Daten zuzugreifen. Das hilft uns als Ärzte und Therapeuten natürlich sehr, die Therapie optimal auf den Leistungsstand des Patienten abzustimmen“, erklärt Dr. Meyer. Die Klinik hat es sich deshalb auch zur Aufgabe gemacht, ambulant eine ähnliche Therapiedichte und -qualität zu ermöglichen wie stationär. Übrigens, bei Versicherten über die Berufs-genossenschaft und Unfallkasse besteht die Möglichkeit der Kostenübernahme. Auch bei gesetzlichen oder privaten Krankenversicherungen kann ein Einzelfall-antrag auf Kostenübernahme gestellt werden.

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