Innovationsfondsprojekt untersucht Nutzen digitaler Präzisionsdiagnostik bei Patienten mit Sepsis
Eine Sepsis, umgangssprachlich auch Blutvergiftung genannt, ist die schwerstmögliche Verlaufsform einer Infektionserkrankung, die jährlich mehr als 75.000 Todesfälle in Deutschland verursacht. Entscheidend für den Krankheitsverlauf ist die frühzeitige und zuverlässige Erregeridentifikation. Dies gelingt mit Hilfe der gegenwärtigen Standardverfahren allerdings häufig nicht. Abhilfe könnten neue, digitale Methoden zur Erregerbestimmung schaffen, die Genomik und Bioinformatik kombinieren. Mitte März 2021 startete die Studie „DigiSep – Optimierung der Sepsis-Therapie auf Basis einer patientenindividuellen digitalen Präzisionsdiagnostik“ in die Rekrutierungsphase: Bei den ersten Patienten, die an einer Sepsis erkrankt waren, wurde das Blut sowohl mit Standard- als auch mit einer neuen digitalen Präzisionsdiagnostik untersucht.
Insgesamt ist die DigiSep-Studie mit 410 schwer an Sepsis erkrankten Patienten unter Beteiligung von rund 20 deutschen Kliniken geplant. Der Beobachtungszeitraum bei den in die Studien eingeschlossenen Sepsis-Patienten umfasst insgesamt 180 Tage. Das Forschungskonsortium erwartet durch diese Studie Erkenntnisse darüber, wie sich der neuartige Diagnostikansatz auf die Sterblichkeit der septischen Patienten, die Dauer einer Antibiotika-Therapie und die Verweildauer auf der Intensivstation auswirkt. Ziel ist es, die Behandlungsmöglichkeiten bei Sepsis zu verbessern – eine lebensbedrohliche Erkrankung, von der jährlich mehr als 300.000 Menschen in Deutschland betroffen sind.
In der Studie werden nicht nur die klinischen Ergebnisse betrachtet, sondern auch die sektorenübergreifenden Versorgungskosten, die in Zusammenhang mit dem Ereignis „Sepsis/ septischer Schock“ stehen. Hierdurch sollen Ansatzpunkte erarbeitet werden, wie sich die enorm hohen Gesundheitskosten senken lassen, die durch die Behandlung von Patienten mit Sepsis oder septischem Schock sowie durch entsprechende Folgeerkrankungen (wie z.B. Nierenversagen) entstehen.
Im Rahmen der Studie wird bei der Hälfte der teilnehmenden Patienten (n=205) das Blut an Tag 0 und Tag 3 zusätzlich zur Routinediagnostik noch mit einer neuen digitalen Präzisionsdiagnostik untersucht. Diese kann innerhalb von 24 Stunden mehr als 1.500 Keime (Bakterien, DNA-Viren, Pilze und Parasiten) erkennen (s. Infokasten). So liegen einerseits rasch präzise Informationen zur Art und Menge der Krankheitserreger im Blut vor, so dass eine wirklich passgenaue Antibiotikatherapie durchgeführt werden kann. Andererseits liefert die zweite Analyse auch wertvolle Hinweise dafür, ob die begonnene antibiotische Behandlung bereits angeschlagen hat.
Bei der anderen Hälfte der teilnehmenden Patienten (n=205) kommt die derzeitige Standarddiagnostik, also die oftmals sehr zeitaufwendige Anzüchtung der Erreger in verschiedenen Sekreten und Körperflüssigkeiten (wie z.B. die Blutkultur), zum Einsatz. Bei allen Studienpatienten können die behandelnden Intensivmediziner zudem die Unterstützung von einem speziellen Expertengremium in Anspruch nehmen, mit dem sie Befunde und Therapieentscheidungen besprechen können.
Das DigiSep-Projekt wird von der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Essen und der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen als Konsortialführer geleitet, in enger Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie & Gesundheitsmanagement der Universität Bielefeld, dem Koordinierungszentrum für Klinische Studien (KKS) und dem Institut für Medizinische Biometrie (IMBI) am Universitätsklinikum Heidelberg sowie mit den Krankenkassen AOK Rheinland/Hamburg, BARMER und der Techniker Krankenkasse. Das Biotechnologie-Unternehmen Noscendo steuert als technischer Partner seinen digitalen Präzisionstest DISQVER bei, der eine CE-Kennzeichnung für In-vitro-Diagnostika (IVD) besitzt.
Das DigiSep-Projekt wird vom Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) mit ca. 3,1 Millionen Euro gefördert. Der G-BA ist das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen. Er entscheidet darüber, welche Leistungen gesetzlich Krankenversicherte in Anspruch nehmen können.
In der Blutprobe der Patienten wird die zellfreie DNA mittels Next-Generation Sequencing (NGS) untersucht, einer neuen, besonders schnellen Methode zur DNA-Analyse. Bioinformatische Algorithmen gleichen diese Informationen mit einer großen klinischen Genom-Datenbank ab, die rund 16.000 Mikroben umfasst. Innerhalb von 24 Stunden nach Probeneingang im Labor liegt so ein Bericht über alle im Blut nachweisbaren Keime vor, was eine gezieltere Therapie ermöglichen soll.
Bei digitaler Präzisionsdiagnostik werden die Blutproben der Patienten mittels Next-Generation Sequencing (NGS) untersucht, einer neuen, besonders schnellen Methode zur DNA-Analyse. Bioinformatische Algorithmen gleichen diese Informationen mit einer klinischen Genom-Datenbank ab. Innerhalb weniger Stunden liegt so ein Report über alle in der Probe nachweisbaren Keime vor.