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Strahlentherapie bei altersabhängiger Makuladegeneration

Neue Behandlungsmethode verringert Anzahl der Injektionen in den Glaskörper des Auges

13. Januar 2016

Strahlentherapie_AMD
Oberarzt Nikolaos Tsiampalis während der IRay-Behandlung einer Patientin, (Quelle: UK Knappschaftskrankenhaus Bochum)

Als eines der ersten Zentren deutschlandweit bietet die Augenklinik am Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum ab sofort mit der IRay-Strahlentherapie eine neue Behandlungsmethode bei der feuchten Form der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) an. Das Augenleiden, das zu den schwersten Augenerkrankungen des höheren Lebensalters zählt, kann erst seit wenigen Jahren behandelt werden, und zwar mit Injektionen ins Auge, die stetig wiederholt werden müssen und damit für die Patienten häufig eine Belastung darstellen. Die IRay-Strahlentherapie, die jetzt von der „Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG)“ in die Reihe akzeptierter Behandlungsmaßnahmen aufgenommen wurde, soll nach bisherigem Kenntnisstand hingegen nur ein einziges Mal angewendet werden und kann in der Folgezeit die Notwendigkeit weiterer Injektionen verringern.

Für die meisten Menschen ist die Erblindung oder ein erheblicher Sehverlust der schlimmste denkbare Schicksalsschlag. Die Angst vor dem Verlust des Sehens ist sehr real und trägt vor allem für ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger einen Namen: Altersabhängige Makuladegeneration. Die Krankheit – abgekürzt AMD – ist heute in allen Industrienationen die häufigste Ursache für eine hochgradige Seheinschränkung bis hin zur Blindheit. In Deutschland allein sind von den ersten Anzeichen bis hin zur schweren Form rund 4,5 Millionen Menschen betroffen.

Es gibt zwei Krankheitsformen: die trockene und die feuchte AMD. Bei letzterer wachsen krankhafte Blutgefäße in die Makula ein, also in die Stelle des schärfsten Sehens in der Mitte der Netzhaut. Aus diesen Gefäßen kann Flüssigkeit austreten und zu einem massiven Verlust an Sehschärfe führen. „Mit der IRay-Strahlentherapie“, erklärt Professor Dr. Burkhard Dick, Direktor der Augenklinik am Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum, „können wir Patienten mit der feuchten Form der AMD, und zwar jenen, deren Schädigung in der Netzhautmitte bis zu 4 mm groß ist, eine effektive Behandlung anbieten, die im Gegensatz zur momentan führenden Behandlungsmethode wesentlich weniger zeitaufwendig ist.“

Die feuchte Makuladegeneration wird heute meist mit Spritzen in den Glaskörper (die Füllung des Auges) behandelt. Die dabei eingegebenen Medikamente stoppen das Gefäßwachstum, wirken aber nur wenige Wochen. Danach muss die Injektion wiederholt werden – ein für die Patienten und ihre Begleitung, aber auch für Arztpraxen und Kliniken sehr zeitaufwendiger Prozess. Die neue Methode wird für viele Patienten die Injektionen nicht überflüssig machen, kann aber die Zahl der Anwendungen deutlich reduzieren.

Bei der IRay-Strahlentherapie wird nichts in das Auge injiziert. Stattdessen werden Röntgenstrahlen mit Hilfe eines ausgeklügelten robotischen Systems von außen auf die erkrankten Stellen in der Makula fokussiert. Die Behandlung, die für den Patienten komplett schmerzfrei ist, dauert nur wenige Minuten. Umliegendes Gewebe, wie die Linse des Auges und der Sehnerv, werden durch die exakte Zentrierung der drei Strahlenbündel keiner Strahlenbelastung ausgesetzt. Durch die Bestrahlung werden zum einen die bei der feuchten AMD auf Zellebene vorhandenen Entzündungsprozesse behandelt, zum anderen wird die innere Schicht der neugebildeten und krankhaften Blutgefäße quasi „verödet“. Der neue Ansatz ist als Teil einer Kombinationstherapie konzipiert: IRay ergänzt die Wirkung der ins Auge injizierten Medikamente (wie Lucentis, Avastin oder Eylea) und senkt die Zahl der Injektionen, was für viele Patienten eine große Erleichterung darstellt.

In einer großen Studie kam nach der Strahlentherapie fast ein Viertel der Patienten ganz ohne weitere Injektionen aus; die überwiegende Mehrheit der übrigen Patienten bedurfte wesentlich weniger dieser Spritzen ins Auge als Patienten in einer Vergleichsgruppe, die nicht mit IRay behandelt worden waren. Auf der Tagung der „Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG)“, der renommierten wissenschaftlichen Vereinigung deutscher und internationaler Augenärzte, wurde Anfang Oktober in Berlin die neue Therapie als eine Erweiterung des Behandlungsspektrums begrüßt.

Die Makulakommission der DOG nannte eine Reihe von Indikationen für die Anwendung von IRay, darunter Aktivitätszeichen der Krankheit und das Ausbleiben eines Erfolges durch die Injektionen. Nach drei Jahren, so die Kommission, soll in einer Stellungnahme dargelegt werden, ob und wie stark die Kombination aus Strahlentherapie und medikamentöser Behandlung erfolgreich ist.

„Diese neue Behandlung erfolgt einmalig. Ob der Patient hierfür geeignet ist, wird durch spezielle Untersuchungen abgeklärt“, erläutert Oberarzt Nikolaos Tsiampalis, der auch das Behandlungsteam leitet. „Wegen der hohen Komplexität der Methode und der fachlichen Voraussetzungen, die das Personal erfüllen muss“, so Professor Dick, „wird die neue Strahlentherapie allenfalls an einigen wenigen Universitätsaugenkliniken angeboten werden. Die Frage der Kostenübernahme wird noch diskutiert. Aber das könnte ein Indiz dafür sein, worauf es hinausläuft: Im Vereinigten Königreich bezahlt der staatliche National Health Service, eine bekannt kostenbewusste Institution, inzwischen die Bestrahlung anstandslos.“

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