Meilenstein in der Therapie des Schlaganfalls
Herz-Jesu-Krankenhaus Münster etabliert mechanische Thrombektomie
Nachdem bereits seit mehr als einem Jahrzehnt in einer eigens dafür eingerichteten und zertifizierten Spezialeinheit, der „Stroke Unit“, im Herz-Jesu-Krankenhaus Münster-Hiltrup die Versorgung des akuten Schlaganfalls auf höchstem Niveau erfolgt, wurde mit der Einführung der sogenannten mechanischen Thrombektomie eine weitere hochmoderne Behandlungsmöglichkeit eingeführt. Seit Anfang Januar 2019 steht sie rund um die Uhr zur Verfügung.
Bis Mitte der 1990er Jahre hatten die Mediziner nur wenige Möglichkeiten, um einen Schlaganfall effektiv zu behandeln, erläutert Dr. Wolfgang Kusch, Chefarzt der Klinik für Neurologie. Damals hieß neben bestmöglichem Management von Blutdruck und Komplikationen die Devise: abwarten und hoffen, dass sich das Gerinnsel von selbst auflöst. „Das war vom Zufall abhängig und daher quasi eine Art Glücksspiel“, sagt Priv.-Doz. Dr. Thomas Allkemper, seit Oktober 2018 neuer Chefarzt des Instituts für Radiologie im Herz-Jesu-Krankenhaus Münster-Hiltrup. Erst seit Etablierung der medikamentösen Lyse-Therapie steht standardmäßig ein Verfahren zur Verfügung, mit dem sich verstopfte Gefäße wieder öffnen lassen. Der Wirkstoff Alteplase (rt-PA) wird intravenös verabreicht und wirkt systemisch – also im gesamten Körper. Aber auch diese Therapie hat Einschränkungen: Zum einen ist die Zeit relativ begrenzt, in der die Erfolge der Therapie potentielle Nebenwirkungen überwiegen. Aktuell besteht eine Zulassung dieser Therapie für ein Zeitfenster von maximal vier bis fünf, im Einzelfall sechs Stunden nach Beginn der Symptome. Die medikamentöse Behandlung hat aber noch einen zweiten Haken: Ist das Gerinnsel zu groß oder sehr lang, schafft diese Therapie es häufig nicht, das komplette Gerinnsel wieder aufzulösen und der Verschluss bleibt bestehen.
In letzter Zeit hat eine neue Behandlungsmethode daher ihren Siegeszug begonnen: die mechanische Thrombektomie, eine Art Operation, bei der Neuro-Radiologen unter Röntgenkontrolle einen dünnen Mikrokatheter über die Leistenarterie bis zum verstopften Gefäß vorschieben. Dann wird das Gerinnsel herausgezogen oder herausgesaugt. Mehrere hochrangige Studien haben die Wirksamkeit der mechanischen Thrombektomie nachgewiesen. „Wir freuen uns sehr, dass wir dieses Verfahren jetzt auch im Herz-Jesu-Krankenhaus Münster-Hiltrup anbieten können“, sagt Geschäftsführer Berthold Mathias. Das Krankenhaus, das seit Anfang 2018 dem Verbund der St. Franziskus-Stiftung Münster angehört, ist damit neben dem Universitätsklinikum die zweite Klinik in Münster, in der diese Therapie möglich ist – und das 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr.
„Die mechanische Thrombektomie kommt vor allem Patienten zugute, die einen schweren Schlaganfall erleiden. Wir können Betroffenen unmittelbar helfen und ihnen möglicherweise ein schweres Schicksal in Form von lebenslangen Beeinträchtigungen und Pflegebedürftigkeit ersparen“, freut sich Facharzt Julio Antonio Viera Ibarra, der die Sektion Neuroradiologie im Herz-Jesu-Krankenhaus Münster-Hiltrup leitet. Zwar ist auch das Zeitfenster für eine mechanische Thrombektomie nicht unbegrenzt, denn je länger ein Verschluss besteht, umso mehr wird das betroffene Gehirngewebe irreversibel geschädigt. Allerdings ist das Zeitfenster mit in der Regel bis zu sechs, in speziellen Einzelfällen auch bis zu 24 Stunden bei der Thrombektomie größer als bei der Lyse-Therapie. „Neuere Studien legen nahe, dass Patienten in speziellen Situationen auch nach mehr als sechs Stunden noch von einer Thrombektomie profitieren. Die Forschung auf diesem Gebiet ist noch lange nicht abgeschlossen“, stellt Chefarzt Dr. Allkemper fest.
Die mechanische Thrombektomie ist ein sicheres und weitgehend risikoarmes Verfahren. Zwar kann es auch bei diesem Eingriff zu Komplikationen kommen – etwa durch eine Verletzung der empfindlichen Gefäßwand –, aber diese sind selten. Und die Erfolgsrate des Eingriffs ist hoch bei richtiger Indikationsstellung: „In den allermeisten Fällen gelingt es, das Gefäß zu eröffnen, so dass das Blut wieder frei fließen kann“, sagt der neue Chefarzt der Radiologie.